Aus „Der junge MC“: Meine erste Gerichtsverhandlung (Anekdote, Teil 1)

Auch mit dieser Geschichte musste ich warten, in meiner Situation als Angestellter erzählt man ja ungern, dass man überhaupt schon einmal vor Gericht stand, außerdem: so ganz unschuldig war ich ja auch nicht. Der Vorwurf: die Betreiberin unseres ehemaligen Stammclubs (= „Ströhemann-Brinck“ Discothek) erstattete Anzeige gegen mich, weil ich einen Müllsackständer vor dem Club in Richtung Eingangsbereich geschleudert und dabei die geschwungene und wie sich später herausstellte recht teure (3.500 DM) Schaufenster-Scheibe eingeschlagen haben soll. Zumindest hatte diese einen Riss. Fakt ist: ich war an diesem Abend extrem gut drauf und bin mit meiner überschwänglichen Goodvibe-Choreo dem Personal auf die Nerven gegangen. Rückblickend kann ich das sogar nachvollziehen, immerhin fand besagte Tanz-Darbietng auf den wackeligen Bistro-Tischen statt. Man begleitete mich also unter großem Protest meinerseits vor die Tür, wo ich bevor ich in ein Taxi stieg tatsächlich diesen Müllsackständer umwarf, allerdings einfach nur zu Boden, fünf Meter von der Scheibe entfernt und das ist die volle Wahrheit. Wenn ich die Scheibe zerstört hätte, dann würde ich das jetzt, 20 Jahre später, zugeben.

Die Vorladung wurde von meiner Mutter abgefangen, die natürlich auch wissen wollte, was an besagtem Abend passiert ist. „Ach, ich hab‘ damit nichts zu tun. Die suchen nur einen Dummen, dem sie das mit ihrer Scheibe unterschieben können – ich habe Zeugen genug, Mama. Mir kann da nichts passieren, keine Sorge!“. Und Zeugen hätte ich wirklich:

Matthias Hansen: Mein damaliger, bester Homie, der sich damals selten mehr als 10m von mir entfernt aufhielt. Wir kamen zusammen in den Club und als ich rausflog, kam er sogar mit vor die Tür. Er sah mich dann sogar noch mit dem Taxi wegfahren.

Christopher Hahn: ebenfalls ein Homie, der aufgrund von eigenem Hausverbot den gesamten Abend vor der Tür des Clubs stand. Guckt nicht so fragend, das machten seinerzeit viele Menschen. Das Bier war draußen günstiger und die Musik nicht so schlecht. Einziger Nachteil: keine Ladies weit und bright.

Thomas Schümann und Boris Jablonski (aka „Schümi & Boschke“): die beiden waren immer vor dem Ströhemann und tranken, bis sich ihre Augen soweit voneinander entfernt in den Höhlen verdreht hatten, dass es fast schon wieder normal aussah. Die beiden waren Beavis and Butt-Head, bevor es Beavis and Butt-Head überhaupt gab – ich bin mir immer noch sicher, dass Schümi & Boschke die größte Inspiration für Mike Judge waren.

Arne „Aehne“ Göbling: ebenfalls einer meiner besten Homies von damals, außerdem Nachbar und jemand, der mir noch einen Gefallen schuldete. Er saß zur Tatzeit ebenfalls auf den Treppen parallel zur Tür, quasi auf Gesichtshöhe mit dem Sprung in der Scheibe.

Eine super Truppe, diese Gentleman würden mein Freispruch sein. Bevor es zur Verhandlung kam, sprach ich selbstverständlich nochmal mit jedem einzelnen. Leider waren während dieser Gespräche nicht alle nüchtern, sie fanden nämlich jeweils Samstags vor dem Club statt und besonders bei Schümi & Boschke konnte man sich nie sicher sein, inwiefern die überhaupt noch Dinge mitbekamen. Aber jeder versicherte mir, vor Gericht natürlich auf meiner Seite zu sein, Ehrensache und so. Ich hatte also wenig Angst und stürzte mich samt Anwalt beflügelt wie mit Batmankostüm in den Gerichtssaal. Mein Schlussplädoyer statt für mich auch schon fest: „Euer Ehren, so sprechen sie mich nun frei und überweisen Sie mir ein adäquates Entschädigungsgeld für diesem Mumpitz hier – slice me nice, motherfuuuuck’r!“, wobei ich die Vokale der zweiten Hälfte von „motherfuuuuck’r“ mit nach oben gepitchter Stimme vorbringen wollte, außerdem hatte ich geplant mit beiden Händen ein großes Wu-Tang-W formen.

„Herr Winks, nehmen Sie Platz.“. Der Richter sah so aus, wie man sich Richter immer vorstellte: leicht adipös, schweratmig und Bluthochdruck aufgrund der Psychopharmaka. Auch die Staatsanwälte überraschten mich optisch wenig. Alles kleine Peter Neururers in Polyester-Roben, warum da gleich mehrere saßen, wusste ich nicht. Vermutlich war einer von denen der Bodyguard, weil sie hörten, am Vormittag käme MC Winkel, der Goodvibe-Bistrotisch-Bouncer. Er bringt seine Leute, seinen Anwalt und obendrein da motherfuck’n Ruckus, knowamsayn!? Die werden sich noch umsehen wie Eulen auf einer Zentrifuge, alles Zeitverschwendung und die Klägerin bekommt eine Gegenklage wegen Schandmäulerismus, Blasphemie und grobem Unfug.
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[Fortsetzung hier]

Kommentare

10 Antworten zu “Aus „Der junge MC“: Meine erste Gerichtsverhandlung (Anekdote, Teil 1)”

  1. Nils sagt:

    „…außerdem hatte ich geplant mit beiden Händen ein großes Wu-Tang-W zu formen.“
    Habe so laut gelacht, dass man es neben an im Büro vermutlich noch hören konnte.
    Danke!:D

  2. Hendrik sagt:

    „…. jetzt, 20 Jahre später…“
    Du warst im Alter von neun Jahren schon in Clubs?? ;)

    Bin gespannt auf den zweiten Teil!

  3. Aehne sagt:

    I just told the truth.

  4. Perot sagt:

    Wird das irgendwann einmal verfilmt? Ich meine, alles aus Der junge MC?! Das wär’s noch! Aber Lesen bringt auch schon Spaß und macht Montage zu einem Highlight. :-)

  5. Kiki sagt:

    Yay! Endlich wieder ein Schwank aus Deiner Dschugend!

  6. MC Winkel sagt:

    @Nils: Zumal es den Clan damals noch gar nicht gab. :))
    @Hendrik: Ich danke! :)
    @Aehne: Alter, noch nicht spoooiiilern! :)))
    @Perot: Sollte man eigentlich mal machen… aber erst, wenn ich 60 bin, noch erlebe ich ja ordentlich was. ^^

  7. Sebastian sagt:

    Ach komm.. mach nicht ne Fortsetzung draus.. jetzt wollen wir das Ende auch wissen.
    Kann es sein, das du 10 Jahre bekommen hast? ;) Schließlich haben wir erst vor knapp 10 Jahren von dir gehört bzw behauptest du das immer :)

  8. slavefriese sagt:

    tzz… hausverbot im ströh… wie konnte man das schaffen?
    lass uns nicht zu lange auf die fortsetzung warten…

  9. glumm sagt:

    eeendlich noch mal ne echte mc-story!!

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