Meine dunkle Nacht der Seele // Part 6 (Finale)
[Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4, Teil 5]
Anfang des Jahres 2021 begann ich immer besser zu verstehen, dass alles Leid, alle Ängste, die mein Verstand mir ständig einzureden versuchte, nur Ideen, nur Fiktionen sind und überhaupt nicht existieren. Meine eigenen Gedanken verarschten mich, mein Intellekt hatte sich gegen mich gewandt. Ich begann es nicht nur logisch zu verstehen, sondern wirklich zu fühlen. Mit jeder Morgen-Meditation verstand ich es besser, es war eine unfassbare Erleichterung. Vom dauerängstlichen, frustrierten, traurigen Overthinker entwickelte ich mich langsam zu einer bewussten Person, ich wurde conscious. Und Entwicklung kann man hier wörtlich nehmen, ich ent-wickelte mich immer mehr von all den Umhängen der Identifikation, die nur Einschränkung bedeuteten. Ich wickelte den überflüssigen Filter aus Ängsten, Wünschen, Vorlieben und Abneigungen einfach von mir ab, durch den ich vorher die Welt gesehen hatte. Jetzt fehlte nur noch die Erleuchtung, wie man es im Buddhismus nennt. Im Christentum spricht man von Erlösung, im Hinduismus von Befreiung, gemeint ist aber tatsächlich immer ein und dasselbe.
Redemption Day – 12-06-2021
Am 12. Juni 2021 war es dann soweit. Neben den täglichen Atemübungen, Meditationen und den kalten Duschen hatte ich sowohl „Inner Engineering“ von Sadhguru als auch „The Power Of Now“ von Eckhart Tolle bereits zwei oder drei Mal gelesen, beides für mich eine große Hilfe, immer noch. Ich lag auf meiner Luftmatratze im Pool (wirklich kein Gag) und hörte ein Audiobook von Deepak Chopra, es ging um Consciousness, also Bewusstsein. Das größte Thema im spirituellen Bereich, weil man es immer noch nicht genau definieren kann, was auch niemals mit dem rein konzeptionellen Denken/dem Intellekt funktionieren wird.
Deepak Chopra zitierte Sutras, also alte Lehrsätze aus dem Sanskrit. Ohne große Vorwarnung machte es klick, Tränen schossen aus mir heraus, ich konnte es nicht unterdrücken. Es waren aber keine Tränen von Kummer, ich fühlte mich nicht traurig, nur unendlich befreit. Eine Wolke über meinem Kopf löste sich auf, verschwand im Nichts. Das passiert hier oben auf dem Berg häufiger und ich weiß nicht, ob es wirklich meinetwegen war. So oder so war es aber ein perfektes Timing. Um das wirklich verstehen zu können, muss man es wahrnehmen, am eigenen Leibe erfahren. Dafür braucht es diese besagte, tiefere Dimension jenseits des logischen Denkens – und genau die tat sich hier gerade zum erste Mal richtig in mir auf.
Unbeschreiblich
Sie lässt sich nicht beschreiben und wenn, dann nur ganz vage. Eckhart Tolle ist das in seinen frühen 20er Jahren passiert, seitdem ist er conscious. Er sagt er fühlte nach dieser Awakening-Erfahrung eine tiefe Glückseligkeit, die fast ein halbes Jahr andauerte und nie wieder so richtig verschwand. Bei mir waren es sechs Wochen, in denen ich täglich vor Freude und Rührung weinte. Wirklich jeden Tag. Ich brauchte nur zwei Hunde zu sehen, wie sie zusammen spielten und tobten, oder meinen Eigenen, wie er einfach nur friedlich irgendwo herumlag. Ich stand auf und die Sonne schien, „oh wie schön ich muss weinen“. Es regnete, „ach guck‘ die Wolkenformationen, wie schön ich muss weinen“. Ich hatte ehrlich gesagt schon fast ein bisschen Angst, dass das ab jetzt für immer so bleiben würde. Kein Hass, keine Wut, kein Wertungszwang, kein Ego. An sich die perfekte Kombi, in dieser Welt aber leider kaum dauerhaft praktizierbar.
Ein Leben voller Einschränkungen
Das Leben, „Mein Leben“ veränderte sich. Die meisten Menschen kennen nur das Leben, welches aus äußeren Eindrücken besteht und sie identifizieren sich damit. Sie sind in einem klitzekleinen „Selbst“ gefangen. Auch die größten „Selbsts“, die Reichen und die Berühmten, mögen sie noch so viel Geld & Macht haben, alle eingesperrt in einem Käfig selbst auferlegter Einschränkungen, durch Identifikation. „Ich bin ja mehr so der Typ blablabla“, „Ich bin Fan von X, mag aber Y überhaupt nicht blablabla“. Und ich hatte jetzt endlich die Antwort auf die mich dauerquälende Frage, wer ich denn tatsächlich bin: Bewusstsein halt, Consciousness. Vielleicht habt ihr „WHUDAT“ jetzt auch verstanden. „Who dat?“, wer ist das. Wer bin ich.
Die Sonnenstrahlen auf unserer Haut, ist das die Sonne? Oder sind sie Verlängerungen der Sonnne? So ist es mit dem Bewusstsein, es gibt ein universelles Bewusstsein und wir alle sind die Verlängerung dessen. Sich über sein Bewusstsein bewusst zu sein und zu verstehen, dass es nicht nur uns alle, sondern das gesamte Universum miteinander verbindet, das ist der Schlüssel. Wir alle schwingen auf einer Bewusstseins-Frequenz, viele eher so an der Oberfläche (aka Denkprozess, alles logisch analysieren und zerteilen, „ich weiß es!“ – nein, Du weisst gar nichts), einige aber auch etwas tiefer, es ist dennoch die Gleiche für alle. Die Wellen auf dem Ozean, sie sind ständig in Bewegung. Die Gedanken, der konditionierte Geist. Sie wären ohne die gesamte Tiefe des Ozeans jedoch nicht da. Es gibt eine Alles und Allem unterliegende Stille – und die bist Du.
Ich schreibe erst wieder, wenn ich conscious bin
Ich gehe davon aus, dass nicht jeder hier sofort connecten kann, bin aber sehr dankbar, vielleicht einen ersten Samen gesetzt haben zu können. Diese tiefe und transzendierende Dimension zu Lebzeiten zu finden halten die meisten meiner Spiritual Teachers für das Wichtigste im gesamten Leben. Sie ist die Erlösung vom Ego-getriebenem Leben und sie hat sehr viele Namen. Stillness. Presence. Awareness. Spaciousness. Nothingness. Emptiness. Unified Field. Im Taoismus ist es das Tao/Dao. Consciousness, viele sagen sogar: Gott. Man könnte also sagen, der alte Winkelsen hat mit Ende 40 (06/2021) doch tatsächlich noch zu Gott gefunden. Und der war sogar die ganze Zeit da, tief in mir, allgegenwärtig. Und es hat noch nicht einmal etwas mit Religion oder anderen Glaubenssystemen zu tun, einfach nur tiefe Weisheit. Ich muss nicht irgendwas glauben, ich kann es spüren. Gleiches gilt für Dich, Dich und auch Dich. Es ist Alles schon längst vorhanden, Tür auf: herein.
Ich habe mir gesagt, ich werde erst wieder persönliche Texte schreiben, wenn ich conscious bin. Wenn ich diese Dimension, diesen Bewusstseinszustand jederzeit abrufbar habe. Einatmen, Gedanken aus und mit dem jetzigen Moment und dem damit einhergehenden tiefen, inneren Frieden verbinden; und da wären wir jetzt. Kommt bitte Alle gut ins neue Jahr, hier gibts jetzt endlich wieder was zu lesen.