Hit-Boy & The Alchemist – „Goldfish“: Zwei Produzenten sprengen ihr eigenes Aquarium

Mit Goldfish liefern Hit-Boy und The Alchemist kein klassisches Produzentenalbum, sondern eine schonungslose Selbstreflexion. Beide Hip-Hop-Veteranen tauschen die Rollen: Sie stehen selbst am Mikrofon, rappen über Erfolge, Fehler und den Preis des Ruhms. Das Resultat ist eine Mischung aus Befreiung, Handwerkskunst und Verletzlichkeit – ein selten ehrliches Werk zweier Ikonen, die ihre eigene Kunst sezieren.
Hit-Boy: Vom Knebelvertrag zur Selbstbestimmung
Für Chauncey “Hit-Boy” Hollis markiert das Album eine Befreiung. Nach 18 Jahren in einem gnadenlosen Publishing-Deal, der ihm einst nur 50.000 Dollar brachte, ist er endlich unabhängig. Diese neue Freiheit hört man in jedem Vers. Auf „Business Merger“ reflektiert er über falsche Freunde, gebrochene Loyalität und den schmalen Kreis, der ihm geblieben ist: „so small that it’s closer to a dot.“ Sein Flow ist nicht immer elegant, aber ehrlich – das macht seine Zeilen stark.
The Alchemist: Der stille Architekt tritt ins Rampenlicht
Alan “The Alchemist” Maman, jahrzehntelang als stiller Taktgeber im Hintergrund bekannt, nutzt Goldfish, um das Licht auf sich selbst zu richten. Er rappt mit einer Mischung aus Gelassenheit und Ironie, wechselt zwischen Küchenmetaphern und introspektiven Bildern. Auf „Show Me the Way“ beobachtet er seinen Sohn beim Plattenauflegen und fragt sich, ob er selbst je wirklich losgelassen hat. In solchen Momenten wirkt The Alchemist fast verletzlich – als Veteran, der nicht stehen bleiben will.
Hit-Boy x The Alchemist / Goldfish – Ein Konzept aus Kreisen und Glas
Das titelgebende Goldfish-Bild zieht sich durch das Album. Es steht für Bewegung in engen Bahnen, für Freiheit im Käfig. Beide Künstler reflektieren, wie sich Erfolg und Stillstand überlagern. Auf „Home Improvement“ wird der Loop zur Metapher für Selbstpflege, während „Recent Memory“ den Zustand einer stagnierenden Industrie beschreibt: zu viele Künstler, die „reheatin’ the same soup.“ Statt Flucht geht es hier um Perspektive – der Blick durchs Glas wird zur Erkenntnis.
Features mit Tiefe und Schatten
Die Gästeliste liest sich wie ein Rückgrat moderner Underground-Legende: Conway the Machine, Havoc und Boldy James verstärken die Dichte der Themen. Conway bringt Härte, Havoc liefert ein bedrohlich-glänzendes „Celebration Moments“, und Boldy James’ Zeile über das „Stuck in the hood way longer than I been rich“ verleiht der Goldfisch-Metapher neue Schwere. Diese Stimmen machen aus dem Projekt mehr als ein Duett – es wird zum Dialog über Zyklen von Schmerz und Triumph.
Zwischen Ego und Erkenntnis
Textlich balanciert das Album zwischen Größenwahn und Demut. Hit-Boy prahlt über Deals, die er überlebt hat, und über Designer-Tracksuits – nur um Sekunden später seine Ängste offenzulegen. The Alchemist dagegen bleibt surreal, fast dadaistisch. Seine Bilder wirken wie Beats in Sprachform: fragmentiert, aber bedeutungsvoll. Nicht jede Line sitzt, doch gerade das Unfertige macht den Reiz aus. Goldfish lebt vom Widerspruch zwischen Technik und Emotion.
Gold und Glas: Das Vermächtnis
Für Hit-Boy ist dieses Album der Startschuss eines neuen Kapitels. Befreit vom System, testet er die Grenzen seiner Kreativität. Für The Alchemist ist es ein Triumphzug – ein Beweis, dass man nach 30 Jahren im Spiel noch neue Räume öffnen kann. Der Titel Goldfish fasst die Dualität zusammen: Schönheit im Käfig, Klarheit im Kreis. Es ist ein Album über Selbstkenntnis, Stolz und die Kunst, sich neu zu erfinden.


