Vampire und Narzissten: Wie alte Mythen moderne Psychopathen erklären // Richard Grannon bei Mark Vicente

Vampire und Narzissten

Im Podcast WTF is on My Mind?! empfängt Filmemacher und Whistleblower Mark Vicente („What the Bleep Do We Know!?“) den britischen Psychologen Richard Grannon. Ausgangspunkt ist ein scheinbar absurdes Bild: Vampire und Narzissten. Doch schnell entwickelt sich ein tiefgründiges Gespräch über Mythologie, Psychologie, Kultur und die Abgründe menschlicher Beziehungen. Die beiden nähern sich dabei einer unbequemen Wahrheit – dass Mythen wie Dracula womöglich frühe Erklärungsversuche für pathologische Persönlichkeitsstrukturen waren.

Vampire als Spiegel des Narzissmus

Richard Grannon beschreibt Vampire als perfekte Metapher für narzisstische Psychopathen. Sie schlafen im Sarg, leben im Reich der Toten, altern nicht und benötigen Blut, um zu überleben. Damit verkörpern sie das parasitäre Wesen von Menschen, die sich von der Energie anderer ernähren. Der Vergleich geht noch weiter: wie Vampire brauchen auch Narzissten die Einwilligung ihres Opfers. Nur wer ihnen die Tür öffnet, wird zum Ziel. Das Bild vom Blutsauger illustriert so die psychologische Realität der „narzisstischen Versorgung“ – den unstillbaren Hunger nach Aufmerksamkeit und Kontrolle.

Vampire und Narzissten – Warum Unschuld so oft zum Ziel wird

Besonders faszinierend ist die Frage, warum Narzissten und Psychopathen gezielt Unschuldige ins Visier nehmen. Vicente und Grannon greifen klassische Motive auf: Dracula begehrt die Jungfrau, das reine Herz, die unberührte Seele. Das Opfer ist nicht dumm, sondern naiv – und diese Naivität erleichtert Manipulation. Der Raub der Unschuld steigert das Gefühl von Macht und Grandiosität. So entsteht eine Dynamik, in der das Reinste und Verletzlichste zum bevorzugten Opfer wird.

Hollywood, Kultführer und die Faszination des Bösen

Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der kulturellen Verarbeitung dieser Archetypen. Hollywood schreibt Bösewichte seit Jahrzehnten oft komplexer als Helden. Grannon sieht darin nicht nur dramaturgisches Talent, sondern auch verdrängte Fantasien der Autoren. Villains sind Projektionsflächen für unterdrückte Schattenanteile. Dass Kultführer wie Keith Raniere ihre Anhänger zu „Mini-Me’s“ formen wollten, passt in dieses Muster: aus der Faszination für das Böse wird reale Manipulation. Vicente erkennt darin Parallelen zu seiner eigenen Erfahrung im Kampf gegen eine Sekte.

Schattenarbeit und das Licht der Wahrheit

Besonders eindrücklich wird der Vergleich, wenn es um das Licht geht. Vampire zerfallen bei Tageslicht – ebenso wie narzisstische Strukturen, wenn sie im therapeutischen Prozess ans Bewusstsein geholt werden. Grannon betont: Narzissten überleben nur in der Dunkelheit, im Verborgenen, in den Schatten. Schattenarbeit bedeutet, verdrängte Anteile ins Licht zu bringen und damit dem „inneren Vampir“ die Kraft zu entziehen. Vicente ergänzt, dass schon eine teilweise Integration kollektiver Schatten das Gesicht der Welt verändern könnte.

Vampire und Narzissten – Die gefährliche Anziehungskraft des „Bösen“

Ein heikles Thema ist die erotische Faszination für „bad boys“ und dunkle Figuren. Frauen und Männer, so Grannon, projizieren eigene verdrängte Wünsche auf gefährliche Partner. Hier spricht er von „Co-Idealisierung“: nicht nur der Narzisst täuscht, auch das Opfer erschafft sich ein Idealbild und verstrickt sich dadurch tiefer. Diese Dynamik erklärt, warum selbst offensichtlich destruktive Menschen Anziehungskraft besitzen – und warum Popkultur voller Figuren ist, die trotz moralischer Kälte als „sexy“ gelten.

Unterdrückung, Tabus und die Lust am Verbotenen

Die Diskussion führt weiter zur Sexualität. Unterdrückung, so Grannon, befeuert Paraphilien und Fetische. Was verboten ist, wird zum Objekt intensiver Fantasien. In einer Kultur, die einerseits hypersexualisiert und andererseits prüde bleibt, entstehen so Monsterfiguren als „sichere“ Projektionsfläche. Vampire, Werwölfe oder Serienkiller-Figuren erlauben es, verdrängte Energien auszuleben – ohne sich der Realität stellen zu müssen. Doch je mehr Schatten integriert werden, desto weniger Macht haben diese Fantasien.

Zwischen Projektion und Verantwortung

Am Ende betonen beide: Opfer von Narzissten sind keine passiven Figuren. Sie projizieren eigene verdrängte Wünsche ebenso wie Sehnsüchte auf den Täter. Diese Einsicht ist unbequem, weil sie Selbstverantwortung einfordert. Doch gerade darin liegt die Chance auf Heilung: Wer die eigenen Schatten anerkennt, verliert die Faszination für destruktive Archetypen und wird weniger manipulierbar.

Fazit: Mythen als Schlüssel zum Verständnis

Das Gespräch zwischen Vicente und Grannon zeigt, wie tief Mythen mit Psychologie verwoben sind. Vampire sind nicht nur Gruselgestalten, sondern Spiegel unserer kollektiven Angst vor Ausbeutung, Kontrollverlust und innerer Leere. Indem wir diese Bilder verstehen, erkennen wir auch die Mechanismen narzisstischer Manipulation – und können uns bewusster davor schützen. Das Licht, das Vampire verbrennt, ist dieselbe Bewusstheit, die narzisstische Strukturen entmachtet.

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