Mein Hörnichtaufmann und ich (1998)

Falls einer von Euch einen waschechten Lebenmenschen kennt, respektive selbst einer ist, dann wird er ihn kennen. Irgendwann im Laufe einer exzessiven Nacht wird eine unsichtbare Grenze überschritten und sofort kommt er zu Besuch: der Hörnichtaufmann. Der Hörnichtaufmann ist, wie die geistige Elite unter Euch es sich beim Namen schon fast denken kann, ein kein-Ende-findender, je nach Pegel sichtbarer, zwar fiktiver aber dennoch sehr präsenter Mensch, dessen Vokabular nur ein Wort nicht beinhaltet: nein.

Mein Hörnichtaufmann ist ungefähr so groß wie Ken, sieht so aus wie ich (gut, mit etwas tieferem Haaransatz und proportional gesehen kräftigeren Oberschenkeln), ist angezogen wie Burt Reynolds in „Boogie Nights“ und schwebt immer so zwei Handbreit um meine Marmel herum. Ausnahme: direktes Sichtfeld. Nicht selten überredet er fernbedienös seinen nahezu widerstandslosen, biologischen Roboter (=mich) um 5.00h in der Nacht (+/- 3h), den Rest der Partymeute mit zu sich nachhause zu nehmen. Im Vordergrund hierbei steht übrigens nicht die Hoffnung auf koitöse Erfüllung, vielmehr geht es um die populäre Pegelnivellierung nach Juhnke. Sätze wie „Ich hab‘ noch Getränke da, außerdem können wir uns noch einen rollen und alte Dallas-Folgen gucken!“ bekommt die wehrlose, menschliche Hülle nicht selten vom Hörnichtaufmann zur Rezitation aufgezwungen. Sowas endet nicht selten dreckig. Im wahrsten

Sinne. Es war eine Spätsommernacht im September 1998. Aufgrund der recht frischen Trennung von meiner damaligen Freundin verbrachte ich den Sommer unbefernzielt in Kiel. Ich beschloss, das für den gemeinsamen Urlaub gesparte Taschengeld in den drei freien Wochen nun lukrativ an den Bars der hiesigen Nachtclubs durch meine Kehle fließen zu lassen. Selten war die Immanenz meines Hörnichtaufmannes so chronisch wie zu dieser Zeit. Mit Frank, Janine, Hansen und vier weiteren Menschen (geschlechtlich gemischt; in Summe, nicht jeder einzeln), die ich an diesem Abend kennenlernte und an deren Namen und Gesichter ich mich nie wieder erinnern würde, machte ich mich auf Befehl meines Hörnichtaufmannes kurz nach Sonnenaufgang auf den Weg zu mir. Alles kam, wie erwartet: wir tranken, Hansen rollte, es lief Dallas und hier und da wurde geknutsch und/oder gefummelt. Ich erinnerte mich an die Szene aus Dallas, in welcher J.R. seiner Geliebten Mandy Winger das für sie gekaufte Luxusapartement präsentierte. „Jetzt müsst ihr gucken, DAS müsst ihr sehen!“, sagte ich, griff zur Fernbedienung und spulte das Band zurück.

„Was ist denn daran so monumental, Winkelsen?“, wollte Hansen wissen. Der Rest der Truppe guckte bestimmt ebenso verdutzt, aber ich kann mich an die Gesichter ja nicht mehr erinnern. „Na die Hütte! Guckt Euch DIESES Apartement an, wer will nicht so wohnen!?“, schrie ich inbrünstig in die Runde und liess einen weiteren SöhnleinBrilliant-Sektkorken knallen. Hansen nahm noch einen Zug seines fragil gerollten Einblättlers und rutschte weitere 20 Zentimeter in das Polster meines formschönen Ikea-Pello-Sessels. „Na, wenn das Alles ist!“. „Wie, wenn das Alles ist?„, informierte ich mich rück. „Wo ist denn das Grundstück? Wo der Pool? Wenn die sich so veraschen lässt – bitte!“. Ich war entsetzt, „Das ist ein Maisonettenschuppen, bestimmt 2000qm. Achtet auf die Architektur, den Ausblick, den Flügel, da kann…“, „…er sich mal schön einen kauen lassen, der J.R.!“, fiel Hansen mir ins Wort. „Mir zu billig. Die Bude und die Hure.“. Er zog ein letztes Mal um den Jointstummel dann in den Ficus zu stecken. Seine Augen waren so groß wie seine Gizehs hoch waren. „Ignorier‘ den!“, befahl mir mein Hörnichtaufmann, „und spul‘ nochmal zurück!“.
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[Fortsetzung folgt…]

Kommentare

30 Antworten zu “Mein Hörnichtaufmann und ich (1998)”

  1. björn sagt:

    ja, afterhours sind böse, das kommt mir alles sehr bekannt vor *g*

  2. der.grob sagt:

    ich kannte mal eine frau, die hat mich auch hörnichtaufmann genannt. allerdings nur beim sex. komisch.

  3. Daniela sagt:

    Ich hätte auch lieber lichtdurchflutete 2 Etagen mitten in der Stadt als irgendwo am A.. der Welt Haus und Garten und Hund und ewige Fahrstrecken bis in die nächstgrößere Stadt.

    Was die „Leute-mit-nach-Hause-nehm“ – Problematik angeht: Da „helfen“ fellbekleidete Mitbewohner – zumindest dann, wenn 2-5 Freunde mit Katzenhaarallergie belegt sind. Seit dem ist unser Biervorrat nahezu unerschöpflich ;-)

  4. Aquii sagt:

    Machen Sie nichts draus, lieber Winkelsen, die gastfreundliche Phase macht jeder mal durch ;)

  5. vogelmann sagt:

    Jow, ich bin auch, und zwar alles. Gewesen. Und immer noch, manchmal.

  6. schaezle sagt:

    *aufuhrschau*
    Nee, kenn ich nicht!

  7. Jetzt beim zweiten Mal lesen habe ich auch endlich Hör-nicht-auf-Mann anstatt Hörnich-Taufmann gelesen. Kommt wohl nichts mehr mit Kirche und so, oder?

  8. Die Muräne sagt:

    Leider haben es heutzutage sehr viele Menschen verlernt, auf diese feine innere Stimme zu hören! Verwirrt, leer und verloren irren sie dann in ihrem Leben umher und geraten blindlings in die Hände von Arbeitgebern, Ehefrauen und anderem gefährlichen Gesox. Wenn die Menschen nicht bald aufwachen und lernen wieder auf diese reinen inneren Eingebungen zu hören, könnte sich hier eine nächste Katastrophe anbahnen!!

    @Anzugsträger: hehehe, ‚Hörnich-Taufmann‘, geile Siech!

  9. schnutenmaul sagt:

    oh ja ich hab eine Hörnichtauffrau und die war samstag extrem präsent! Die könnte mal in Urlaub gehen, damit ich (und meine Mitmenschen) mal Ruhe kriege

  10. Stella sagt:

    …meine „Hörnichtauffrau, ist in jedem Falle voll überarbeitet!

    HerzLich…)T(… W.

    @MURÄNE Sie finden Ehefrauen gefährlich?
    (ich kann da ja nicht mitreden, wohl aber interessiert es mich…)

    die Muddi

  11. GIZA sagt:

    Die Blättchen, die finde ich cool… =)

  12. sind diese stummel für ficus’s, ficusse, ficsis, ficseen oder wie auch immer überhaupt gesund? ach ja, stimmt, im baumarkt war ja nix mit grünem daumen…

  13. schneck08 sagt:

    schon auch ein scheißgefühl, wenn man dann im morgentlichen berufsverkehr ein taxi nach hause bestellt. alle schauen einen dann so komisch an, man fühlt sich so andersartig, irgendwie so ausgeschlossen.

  14. Stella sagt:

    PS:
    meine Hörnichauffrau, ist aber ehr die weise Alte, die meinem innerem Kind Spielzeug in die Hand gibt…

    Verspieltheit ist eine wunderbare Investition, die sofortigen Gewinn bringt!

    Vergnügen ist eine Notwendigkeit!

    HerzLich…)T(… W.

  15. Jörn sagt:

    „Pegelnivellierung nach Juhnke“ – meinen Respekt für diese Formulierung. Hatte ich auch am Wochenende, kenne ich mich mit aus, hatte ich nur noch keinen Namen für.

  16. „…die Bars der hiesigen Nachtclubs“, Herr W., das kann in Kiel doch nur eine gewesen sein. Das Wichtelgeschenk auf der Weihnachtsfeier, das ich dieses Jahr gezogen habe: Die erste und zweite Staffel Dallas auf DVD! Sie dürfen neidisch sein.

  17. danimateur sagt:

    hansen wohnte wohl bei jedem denkwürdigen event bei. diesmal quasi mit dem denver clan ^^

    herzlich, danimateur

  18. Stoeps sagt:

    Dat klingt alles so verdammt bekannt! ;-) Nur das mein Hörnichtaufman Carlos heisst… ;-)

  19. steuertusse sagt:

    afterhours sind seeehr cool- schade nur, dass ich meistens die fahrerin bin ^^

  20. Meine Hörnichtauffrau nennt sich Brunhilde und ist bisweilen ein wenig nervig, darum haue ich ihr auch regelmäßig eine runter :-) Ich freu mich schon auf die Fortsetzung.

  21. Herr Schmidt sagt:

    Endlich weiß ich woher diese Stilgefühl kommt. Dallas bescherte uns den MC, den wir heute so bewundern! ^^

  22. ja sowas, ich kenn den Hörnichtaufmann auch. Da wohnt man so weit auseinander und kennt doch die gleichen Leute. Freitag auf Samstag war er aber in Würzburg, da kann er nicht bei Ihnen gewesen sein!

  23. MC Winkel sagt:

    @björn: Aber haben auch irgendwie ihren Charme, nech?! :)
    @der.grob: Komisch. Meine Kopulationspartnerinnen nennen mich immer nur „Horaufmann“, was schade ist.
    @Daniela: Oder? Das Schlimmste jedoch: Doppelhaushälften. Uarghh!
    @Aquii: Ach, die hört irgendwann auf? Wann denn?
    @vogelmann: And it won’t stop!
    @schaezle: Hihi… noch Besuch da?!
    @Der Anzugträger: Sind Sie konfirmiert, junger Mann?
    @Die Muräne: Aber was, wenn man mehrere, innere Stimmen hört?
    @schnutenmaul: Und wie sind Sie heute morgen hochgekommen? :)
    @Stella: Jaja, die Weihnachtszeit! :)
    @Jörn: Danke! War auch sehr erfreut ob dieser Formulierung! ^^
    @Lenny_und_Karl: Ha! Habe bis Staffel neun ALLE! Und, schon geguckt. Wäre der Patrick Duffy nicht etwas für Sie?
    @danimateur: Wie ein siamesischer Zwilling, d’oh!
    @Stoeps: AAHAHAHAHAH, wo gibt’s DEN denn?
    @steuertusse: Der einzige Fahrer, den ich bei sowas dulde, ist der Taxifahrer!
    @Frau Ährenwort: Hauen? Aber die wollen doch nur Gutes!
    @Herr Schmidt: Ab_so_lut! Nobody does ist better als John Ross jun.!
    @die annemarie: Der ist schion seit dem 22.09. nicht mehr aufgetaucht! :)

  24. Herr W., ich habe Patrck Duffy gerade mal gegoogled und finde, dass Sie sich ganz schön weit aus dem Fenster lehnen! :-) Der ist ja locker so alt wie Sie!

  25. schnutenmaul sagt:

    hehehe die frage ist wohl eher wo bin ich gestern morgen aufgewacht *fiesgrins* heute hat der WEcker mich um 6h aus dem schlaf gerissen und ich hab die Alte Kackbratze (hörnichtauffrau) einfach verpennen lassen, damit ich mal ein bissel ruhe beim morgenkaffe hab

  26. Aber natürlich bin ich konfirmiert – ich wusste ja von meine Schwestern, dass man sich von dem ganzen Geld eine Stereoanlage würde leisten können ein guter Draht nach oben nie verkehrt ist…

  27. Stoeps sagt:

    @MC Winkel: Gibts in jedem gut sortierten Gay-Pride Shop. Mit X verschiedenen Styles und Looks UND MIT naturidentischem Gemächt ;-)

  28. Aquii sagt:

    @ MC – spätestens beim Einzug eines andersgeschlechtlichen Wesens in die Wohnung, aber da ist aus Ihren Geschichten zu schließen, das es nicht so schnell passieren wird. By the way, was macht eigentlich Ihr neues Werk: Kieler Wohnungseinrichtungen im Test?

  29. björn sagt:

    @MC Ich weiss nicht. Charme ja, aber langsam bekomme ich bei solchen Anlässen dieses Gefühl von „Ich werd zu alt für den Scheiss“ ;)

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