Goodbye, D’Angelo – Der Mann, der uns das Fühlen beibrachte

Goodbye D’AngeloGoodbye D’Angelo: Ein persönliches Tribute zum Tod von Michael Eugene Archer (1974–2025)

Der Anfang einer Liebe: „Brown Sugar“ im Vorbeigehen

Ich erinnere mich genau: Irgendwo lief dieses Stück – „Brown Sugar“. Ich blieb stehen, wusste sofort, dass das etwas ganz Besonderes war. Ich kannte den Künstler nicht, aber der Groove, diese Wärme, die Soulfulness – das war neu. Am Kieler Bahnhof, in einem kleinen Kiosk mit internationalen Magazinen, fand ich dann einen Bericht in der Source. Ich las ihn durch, kaufte kurz darauf die CD und war hin und weg.

Ich war Anfang 20, in der Blüte meines Lebens. Man nannte D’Angelos Musik damals „Babymaking Music“ – und ja, da war was dran. Es kam tatsächlich mehrfach zu den entsprechenden Momenten und ich erinnere mich, jedes Mal für die Musikauswahl gelobt worden zu sein. Nur Babys wurden keine gemacht – ich war in dieser Hinsicht stets wachsam.

Als das Album durch war, wartete ich sehnsüchtig auf Neues. Doch es kam nichts. Ein Jahr verging. Dann zwei. Erst 2000 – fünf Jahre später – erschien Voodoo. Und jeder, der diese Platte kennt, weiß: Dieses Warten hat sich gelohnt.

Die goldene Ära: Die Soulquarians und der Himmel auf Erden

Als Voodoo erschien, war die Welt bereit. Der goldene Hip-Hop & RnB der 90er hatte sich etabliert, die Soulquarians standen in voller Blüte. Diese Ära war pure Magie – ein kreatives Universum aus Groove, Spiritualität und Freiheit.

Meine persönlichen Lieblingsplatten dieser Ära? Like Water For Chocolate von Common, Mama’s Gun von Erykah Badu, Fantastic Vol. 2 von Slum Village, Things Fall Apart von The Roots und natürlich Voodoo selbst. Diese Alben veränderten alles. Sie klangen nicht nur organisch, sie fühlten sich lebendig an. Man konnte hören, dass sie in einem Raum entstanden, in dem sich Musiker gegenseitig befeuerten.

Voodoo war für mich der Inbegriff dieser Energie. Und auch hier: unzählige Babymaking-Sessions. Eine davon endete legendär. Früh am Morgen, leicht angetrunken, stand ich vor der Tür einer Freundin – mit Voodoo unterm Arm. Sie öffnete im Halbschlaf. Wir landeten im Bett. Irgendwann stellte sie erschrocken fest, dass ich gar nicht ihr Freund war, für den sie mich gehalten hatte. Eine Anekdote, die mich bis heute begleitet – und jedes Mal, wenn „The Line“ oder „Spanish Joint“ läuft, muss ich lachen.

Goodbye D’Angelo: Das Internet und der Duct-Tape-Moment

Ein paar Jahre später wollte ich D’Angelos ikonisches Video zu Untitled (How Does It Feel) auf meine Art feiern. Ich hatte ein Blogger-Projekt namens Belly Off gestartet – ein öffentliches Abnehm-Experiment. Am Ende wollte ich meinen Fortschritt mit einem Parodie-Video krönen: nackt, verschwitzte Haut, Kamera ganz nah, genau wie D’Angelo. Nur, dass ich mir hinten mit Duct-Tape die Lovehandles zusammengeklebte – und sie am Ende des Videos löste.

Das Netz liebte es. Es wurde viral (jedenfalls für damalige Verhältnisse) und die Kommentare unter dem Post auf WHUDAT zeigen, dass Humor, Musik und Selbstironie sich bestens vertragen. Ich glaube, D’Angelo hätte das gefeiert.

Die Rückkehr: Black Messiah und das Wiederauferstehen

Dann kam wieder Stille. Ein Jahrzehnt. Man dachte, D’Angelo sei verloren – gefangen zwischen Ruhm, Körperbild und inneren Dämonen. Doch 2014, nach 14 Jahren Pause, erschien Black Messiah. Ohne Ankündigung, mitten in einer Zeit gesellschaftlicher Unruhe. Dieses Album war anders – reifer, kantiger, politischer. D’Angelo war nicht mehr der sanfte Crooner, sondern ein Überlebender. Black Messiah gewann zwei Grammys, einen für „Really Love“ als besten RnB-Song; bis heute halte ich es für eines der schönsten Liebeslieder überhaupt. Dieses Stück atmet Zärtlichkeit, ohne je kitschig zu sein.

Und das ist vielleicht D’Angelos größtes Vermächtnis: Er schrieb Liebeslieder, die nie cheesy waren. Sie waren ehrlich, verletzlich, körperlich. Sie rochen nach Haut, klangen nach Sehnsucht und fühlten sich an wie Nähe.

Der Abschied: Goodbye, D’Angelo

Jetzt ist er gegangen. Mit nur 51 Jahren. Ein stiller, intensiver Künstler, der in drei Alben mehr über Liebe, Schmerz, Lust und Spiritualität gesagt hat als andere in zwanzig. Er war Multiinstrumentalist, Komponist, Performer – aber vor allem ein Mensch mit Seele. Seine Musik war eine Sprache, die jeder verstand, egal ob im Club, im Bett oder im Auto bei Nacht.

Wir verabschieden uns heute mit schwerem Herzen, aber auch mit Dankbarkeit. Für Brown Sugar, für Voodoo, für Black Messiah. Für all die Nächte, in denen wir tanzten, liebten, litten, heilten. – We love you, D’Angelo. Rest easy, brother.

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Goodbye, D’Angelo // Tribute Special Edition // Vinyl Session

Das Tribute-Mixtape „Goodbye, D’Angelo“ ist eine liebevolle Hommage an einen der größten Soul-Künstler unserer Zeit. Kuratiert von Chilled Sundays, führt es durch alle Phasen seines Schaffens – von den sinnlichen Momenten auf Brown Sugar über die erdigen Grooves von Voodoo bis zur spirituellen Tiefe von Black Messiah. Eingebettet zwischen Kollaborationen mit Lauryn Hill, Method Man, Common oder Erykah Badu entsteht ein fließender Soundtrack, der nicht nur D’Angelos musikalisches Vermächtnis ehrt, sondern auch das Gefühl einfängt, das seine Musik immer auslöste: Liebe, Sehnsucht und pure Seele.

Last but not Least: This IS D’Angelo (Playlist):

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