Der Analytiker

Ein weiterer Kundenbesuch im Rahmen meiner Tätigkeit als Außendienstler. Das Ingenierbüro schien mir gemäß der Marmorfliesen und des glattgewienerten Mahagoni-Empfangstresens recht gut zu laufen und auch die Sektretärinnen konnten was: Empfangsdame A zum Beispiel trug einen grauen Hosenanzug (auf die Dinger stand ich immer besonders, fragt nicht warum. Ob das heute nich so ist, kann ich nicht sagen, lange nicht mehr gesehen) und hatte trotz einer 55er Taille Körbchengröße Slamdunk. Ich beobachtete heimlich, wie sie Hängerister in die Schränke sortierte. Aufgrund des massiven Übergewichts im mittleren, vorderen Bereich des Thorax hing das Rückenverschlussband des Dings nur knapp unterhalb des Blusenkragens, Wahnsinn war das.

Irgendwann bat mich der Geschäftsführer Herr Dr. Büttschmuhf in sein Büro und starrte mich an. Warum, konnte ich in diesem Moment noch nicht sagen. Ich war mir unschlüssig, ob er sich spontan verliebte, auf meiner Stirn noch Reste vom mittagspäuslich schäferstündlichem Queening zu sehen waren oder ob der Typ via Telekinese versuchte, mir den Kaffee zu servieren. „Mit Milch!“, sagte ich prophylaktisch. „Wie meinen?“. „Ich nehme an, sie fragen mich gleich, wie ich meinen Kaffee gerne trinke!“. Wieder eine Pause. Fast 60 Sekunden, in denen er mir starr in die Augen blickte, zum Telefonhörer griff und die Bestellung durchgab. „Nicht schlecht, Herr Wunkelsen.“. Ganz billiger Trick – mit absichtlich falsch ausgesprochenem Namen den Gesprächspartner zu provozieren. „Stimmt, früher trank ich den Kaffee noch schwurz!“. Er grinste und forderte mich auf, mit meiner Ausführung zu beginnen, während die Tür aufging und Empfangsdame B den Kaffee brachte.

Auch sie konnte was: Stewardessen-Outfit, die Haare streng nach hinten gezopft und signalroter Lippenstift. Auch wenn die Alte gerade frisch vom Robert Palmer-Casting entsprang, grüßte ich freundlich mit Hallo! Büttschmuhf guckte wieder, wartete bis B den Raum verliess und fragte mich, ob ich seine Angestellte kennen würde, was ich verneinte und gegenfrug, wie er darauf käme. „Wegen des Hallo!’s“. „Wie begrüßt man denn sonst Menschen, wenn man sie nicht kennt?“. „Mit ‚Guten Tag‘.“. „Nicht da, wo ich herkomme!“. Büttschmuhf lachte, „Null zu eins, Herr Winkelsen!“. So langsam nervte er.

Ich fuhr fort, erklärte was er wissen wollte und musste mich immer noch nach jedem gesprochenen Satz dumm mustern lassen. „Ist irgendwas noch unklar, Herr Dr. Büttschmuhf“. „Nein, ich analysiere Sie nur.“, was jetzt nicht überaschend kam, aber auch nichts brachte, weil der Typ einfach nur spooky war, zudem auf dem Holzweg, mit diesen ewig langen Sprechpausen wirkte wie ein Sonderschüler auf Valium zu Besuch beim literarischen Quartett und Eines ganz sicher nicht schaffen würde: am eigenen Ellebogen zu lutschen. Oder mich zu verunsichern. Und wenn die Scheiße mit der Miete nicht wäre, dann würde ich ihm das jetzt auch genauso sagen, aber half ja nichts. „Die Guten machen das immer erst, wenn ich weg bin – aber unterschreiben tun sie eh Alle!“. „Wo?“. „Unten rechts.“, ich drehte den Vertrag in seine Richtung und bot ihm meinem Kugelschreiber an, zog diesen aber auch sofort wieder zurück. „Ah, lieber nicht, ich kaute darauf herum, während sie analysierten.“. Büttschmuhf lachte, zog einen Füllfederhalter aus seiner Innentasche und unterschrieb. Zum Abschied sprach er „Unentschieden!“, ich nickte mit geschlossenen Augen 2x schnell und ging. Musste unbedingt nochmal die Sitzhöhe des Rückenbandes kontrollieren. Wahnsinn.

Kommentare

23 Antworten zu “Der Analytiker”

  1. Perot sagt:

    Vielleicht versuchte der Typ auch nur herauszufinden, ob Du Monats- oder Jahreslinsen trägst? Harte oder weiche? Einfache oder torische?

    Oops – wollte nicht wieder dieses traumatisierende Linsenthema ansprechen. ;-)

  2. jd sagt:

    dat schöne is, ich musste lachen, das schlechte … ich werde drüber nachdenken und vor mich hinstarren um herauszubekommen was der wohl damit erreichen wollte…

  3. Arno Nym sagt:

    Können wir bitte noch mehr zu Sekretärin A und B erfahren?

  4. Nico sagt:

    Einfach genial was du alles für Geschichten erlebt hast.

    Ach und für Alle: Das mit dem Ellenbogen lutschen klappt nicht ;)

  5. grievedesign sagt:

    stranger Typ… der Büttschmuhf, nicht der MC!

    Es wird Zeit, dass die VorFaulancer-Jahre des Herrn Winkelsen mal in gebundener Form auf den Markt kommen…

  6. Daddiesgun sagt:

    ähm..herr wonkelsen.
    sind sie sicher das sie in einem ingenieurbüro waren?
    körbchengrösse slamdunk…grandios!

  7. denzel sagt:

    UND JETZT RATET MAL ALLE:

    wer ist schwarz, guckt nach rechts und bämst empfangsdame a?

    lol

  8. Tarek sagt:

    Büttschmuhf = bitchmove?

    Sehr geil wieder einmal

  9. Erdge Schoss sagt:

    Unentschieden, werter Herr Winkelsen,

    wird am Mittwoch nicht langen.

    Herzlich
    Ihr Erdge Schoss

  10. Ben sagt:

    Ich und vermutlich noch mehr Leute würden sich über eine weitere Ausführung zu Dame A und B freuen. :D

  11. Kiki sagt:

    Slamdunk! Sehr geschmeidig. :)

  12. Till sagt:

    So ein schickes Nähkästchen (allerdings ohne Ornamente) hat meine Mudder auch.
    Schade, dass Sekretärin A da nicht gleich mitgeliefert wurde.

  13. Scholli sagt:

    Ich sach Ihnen, Herr Winkel, wenn der Rückenverschluss des Slamdunkbändigers an den Blusenkragen rutschte, war Empfangsdame A eindeutig zu unterbezahlt, um sich anständige Mopshalter leisten zu können.

  14. Uno sagt:

    …das finde ich auch! Die Stories sind so gut, die gehören als Buch veröffentlicht. Vielleicht nach WM und Sommer?

  15. MHW sagt:

    Wir haben uns in den letzen 15 Jahren selten gesehen. Sobald ich jedoch die Bilderchen anschaue, die Du in Deinen Beiträgen platzierst weiß ich das Dein Humor weiterhin sehr sehr meinen Vorlieben entspricht :) Das Nähkästchen ist erstklassig.
    Deine Wortwahl ist etwas filigraner geworden. Das ist manchmal etwas anstrengend (was bedeutet dieses Wort?) aber meistens sehr gut, wie auch dieser Text.
    so long

  16. MC Winkel sagt:

    @Perot: Hehe… kann auch sein. Überhaupt werde ich ständig gefragt, ob ich farbige Linsen tragen würde. So’n Quatsch.
    @jd: … der war einfach nur bizarr, das‘ Alles! :)
    @Arno Nym: :)) … die Eine ist jetzt mit einem Polizisten veheiratet (kein Shice). Reicht das? :)
    @Gürtel: Danggge!
    @Nico: Also bei mir schon! Habe mir dafür extra 3 Rippen rausnehmen lassen, das war 1983. :)
    @grievedesign: Aber WANN soll ich denn das noch machen? Muss doch bloggen! :)
    @Daddiesgun: Jo, ganz sicher! Und Danke! :)
    @denzel: *lol*

  17. MC Winkel sagt:

    @Tarek: you got it! ^^
    @Erdge Schoss: Vielleicht aber doch. Für Ghana. :)
    @Ben: s.o., mit einem BULLEN! Die Andere… weiss ich nicht. Müsste ich so eine Gossip-Alde anrufen, aber die sabbelt dann immer so viel. Hab wenig Zeit gerade! :)
    @Kiki: :) Danke!
    @Till: … vielleixcht gibt’s eien Nachlieferung? :)
    @Scholli: Seh ich auch so. Aber MIR müssen Sie das nicht sagen! :)
    @Uno: Ich hoffe, dieser Sommer wird NIE enden! :)
    @MHW: Hehe… müssen auch unbedingt mal wieder ein paar Bier haven! Bist Du zur KiWo here?! Dicker, MUSS!!!

  18. Jerry B. Anderson (tm) sagt:

    Mal wieder ein Classic. Gibt es irgendwann ein Buch „The young MC“? Wäre smart. Mit allen Stories. Du sun. Gutes Wetter in Kiel für euch morgen auf jeden…. :-)

  19. Mme Schlaumeier sagt:

    ..mir fehlen tatsächlich die Worte..

  20. grievedesign sagt:

    Ist doch einfach:

    – „der junge MC“ (& vielleicht noch „Diary“) auswählen
    – ?+P
    – fertig ist`s Buch

    Viel Spaß heut` Abend…

  21. n1Ls sagt:

    „schäferstündlichem Queening“

    warum nicht : D

  22. honki sagt:

    Klingt wie eine Szene aus der Serie „Mad Men“ in der Christina Hendricks wohl ziemlich sicher Sekretärin A entsprechen sollte. Und falls du die Serie nicht kennen solltest – Shame On You! Aber mach‘ dir nichts draus; die ersten zwei Staffeln quälen sich etwas dahin, aber das Finale von Staffel 3 macht dann alles wieder wett.

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