Alfa Mist – „Roulette“: Zwischen Wiedergeburt, Jazz und Bewusstsein

Alfa Mist Roulette

Auf seinem sechsten Studioalbum Roulette erschafft der Londoner Musiker, Produzent, Pianist und MC Alfa Mist ein eigenes Science-Fiction-Universum – düster, spirituell und zutiefst menschlich. Die 15 Songs bewegen sich zwischen Jazz, HipHop und träumerischer Melancholie. Dabei reflektiert Alfa Mist Themen wie Wiedergeburt, Erinnerung und Macht – und fragt, was geschieht, wenn die Menschheit sich tatsächlich an frühere Leben erinnert.

Reinkarnation als soziales Experiment

Im Zentrum steht eine faszinierende Idee: In einer nahen Zukunft wird die Wiedergeburt wissenschaftlich bewiesen. Menschen erkennen, dass Träume und Erinnerungen an vergangene Leben real sind. Doch diese Erkenntnis hat Konsequenzen. Alfa Mist fragt: Würden wir dieses Wissen teilen, um alle zu erleuchten – oder würden einige es nutzen, um Macht auszuüben? Diese moralische Spannung zieht sich wie ein roter Faden durch das Album. Jeder Track ist ein neuer „Spin“ des Rades, ein Versuch, Identität und Erkenntnis neu zu definieren.

Alfa Mist x Roulette – Jazz trifft Psychedelia

Musikalisch bleibt Alfa Mist seiner Handschrift treu: warme Fender-Rhodes-Akkorde, schwerelose Grooves, intuitive Improvisationen. Doch Roulette klingt dichter, psychedelischer, fast wie ein Traum in Nebel gehüllt. Der achtminütige Titeltrack wechselt mühelos zwischen Taktarten, als würde er durch die Zeit springen. “Life’s like that,” sagt Alfa Mist, “it’s not always linear.” Dieses Gefühl zieht sich durch das gesamte Werk – Musik als Schleife, nicht als Linie.

Unterstützt wird er von Kaya Thomas-Dyke am Kontrabass, deren warme Töne wie eine zweite Stimme wirken. Dazu gesellen sich Flügelhorn, Cello und Klarinette, die das Klangbild erweitern, ohne die Intimität zu verlieren. Hin und wieder treten Alfas Raps in Erscheinung – zurückhaltend, poetisch und introspektiv. Alles scheint aufeinander abgestimmt, organisch gewachsen, nie konstruiert.

Spiritueller Smooth Jazz mit Tiefgang

Seit einem Jahrzehnt wandelt Alfa Mist zwischen Jazz und HipHop. Gemeinsam mit Künstlern wie Jordan Rakei, Loyle Carner oder Ólafur Arnalds hat er eine neue Schule des britischen Neo-Jazz geprägt: emotional, offen, frei von Genregrenzen. Roulette ist der vorläufige Höhepunkt dieses Weges. Wenn es so etwas wie Spiritual Smooth Jazz gibt, dann ist Alfa Mist dessen elegantester Vertreter.

Doch der Londoner bleibt kein reiner Schöngeist. Zwischen zarten Harmonien verbirgt sich eine existenzielle Schwere. Das Album klingt wie eine Meditation über Leben und Tod, Vergangenheit und Zukunft – aber auch über das eigene Wachstum. „Ich erkunde verschiedene Teile meiner selbst“, sagt Alfa. „Musik ist mein Zustand des Geistes, den ich ständig forme, um ihn lebendig zu halten.“

Ein Gefühl, das bleibt

Roulette ist weniger ein Album als eine Erfahrung. Es lädt dazu ein, loszulassen, zu fühlen, sich treiben zu lassen – und dabei eigene Erinnerungen zu erforschen. Zwischen jazziger Sanftheit, urbaner Melancholie und metaphysischer Fragestellung entsteht ein Werk, das so introspektiv wie universell wirkt. Alfa Mist bleibt damit einer der visionärsten Komponisten seiner Generation – ein Musiker, der nicht nur Klang, sondern auch Bewusstsein formt.

Alfa Mist – „Roulette“ // Bandcamp:

„Roulette“ by Alfa Mist // Spotify:

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