Robert Finley – „Hallelujah! Don’t Let the Devil Fool Ya“: Zwischen Juke Joint und roher Seele

Gospel, Soul, Blues, Rock und Funk waren nie sauber getrennte Welten, sondern immer fließende Übergänge. Große Stimmen wie Aretha Franklin, Tina Turner oder Sam Cooke fanden ihre Kraft zuerst in der Kirche, bevor sie weltliche Bühnen eroberten. Robert Finley steht genau in dieser Tradition, allerdings mit einer ungewöhnlichen Biografie und einer späten, dafür umso eindringlicheren Karriere.
Mit 62 Jahren veröffentlichte Finley 2016 sein Debüt, und heute, mit 71, klingt er so kompromisslos wie kaum zuvor. „Hallelujah! Don’t Let the Devil Fool Ya“ ist sein fünftes Album und erscheint am 10. Oktober. Produziert wurde es erneut von Dan Auerbach, der das Projekt über sein Label Easy Eye Sound betreut. Die Zusammenarbeit wirkt mittlerweile blind, roh und vollkommen eingespielt.
Ein Gospelalbum ohne Kirchenbänke
Textlich ist dieses Album klar im Gospel verankert. Alle acht Stücke richten sich an eine höhere Macht, sprechen von Glauben, Zweifel, Freude und Erlösung. Musikalisch jedoch fühlt sich hier nichts nach Sonntagsmesse an. Die Songs entstanden an nur einem Tag aus spontanen Studio-Jams, ungeprobt und ungefiltert. Herausgekommen ist kein frommes Werk, sondern ein erdiges, schwitzendes Funk–Soul-Album mit tiefer spiritueller Ladung.
Finleys Stimme ist dabei das Zentrum. Er verzichtet komplett auf die Gitarre und konzentriert sich auf Gesang, Gesten und Präsenz. Er knurrt, schreit, predigt und lacht, während die Band seinen Groove aufgreift und weiter antreibt. Diese Spannung zwischen religiöser Botschaft und weltlicher Ekstase trägt das gesamte Album.
Robert Finley – Funk statt Frömmigkeit
„Can’t Take My Joy“ wirkt wie ein verloren geglaubter 70er-Funk-Track, irgendwo zwischen Mississippi-Sumpf und psychedelischem Soul. Die Backing Vocals, gesungen von Finleys Tochter und Enkelin, verleihen dem Stück eine intime, fast familiäre Wärme. Ohne den Text würde man hier eher an eine verschollene Session von James Brown denken als an Gospel.
Auch „I Am a Witness“ lebt von einem simplen, aber unwiderstehlichen Riff, in das sich die Band regelrecht verbeißt. Bläser tauchen auf, verschwinden wieder, während der Groove immer tiefer zieht. Erst beim genauen Hinhören wird klar, wie stark die spirituelle Ebene hier verankert ist.
Zwischen Soul-Ballade und spiritueller Ekstase
Die ruhigeren Momente, etwa „His Love“ oder „Praise Him“, erinnern an klassische Soul-Balladen der frühen Siebziger. Man denkt an Teddy Pendergrass oder The O’Jays, bis die Texte wieder eindeutig Richtung Glauben kippen. Genau dieses Wechselspiel macht den Reiz des Albums aus.
„Holy Ghost Party“ treibt diese Idee auf die Spitze. Der Titel verbindet sakrale Begriffe mit purer Körperlichkeit, während der Rhythmus fast tranceartig nach vorne marschiert. Die Nähe zu den The Chambers Brothers ist spürbar, inklusive freier, ausufernder Instrumentalpassagen.
Robert Finley – Ein spätes Meisterstück voller Leben
„On the Battlefield“ bringt zusätzlich Mundharmonika ins Spiel und verstärkt den ohnehin schmierigen Funk-Faktor. Trotz mehrerer Songs mit über sieben Minuten Länge wirkt nichts überzogen oder zu lang. Finleys Stimme, rau und voller Leben, erinnert stellenweise an Taj Mahal, während Auerbachs Gitarrenakzente und die druckvollen Keyboards alles weiter nach vorne schieben.
Dieses Album fühlt sich an wie eine Predigt ohne Kanzel, körperlich, ekstatisch und zutiefst menschlich. Man hört keinen distanzierten Glauben, sondern gelebte Überzeugung, die direkt unter die Haut geht.
Fazit | tl;dr
„Hallelujah! Don’t Let the Devil Fool Ya“ ist kein klassisches Gospelalbum, sondern ein roher, funkgetränkter Seelensturm. Robert Finley verbindet spirituelle Inhalte mit weltlicher Energie und schafft ein Werk, das gleichzeitig erhebt und erdet. Spät gestartet, aber auf dem Höhepunkt seiner Ausdruckskraft, liefert er eines der intensivsten Alben seiner Karriere.


