Lehrjahre sind keine Herrenjahre

Auch lil‘ MC musste mal ran. Zwischen 1989 und 1991 absolvietere ich eine Ausbildung zum Groß- und Außenhandelskaufmann in einem familiengeführen Unternehmen der Baubranche. Die Firma bot von Elektrowerkzeugen über Abricht- und Dickenhobel (war temporär übrigens auch mal der Name meines Gliedes) bis hin zum Turmdrehkran alles feil, was man auf dem Bau so benötigt. Entsprechend war auch das Klientel; und da gibt es natürlich eine Menge zu erzählen. Ich fange heute mal mit einem meiner größten Verrisse an, die ich mir in der Zeit so geleistet habe.

Im ersten Ausbildungsjahr verbrachte ich ein paar Monate in der Warenannahme der Firma, einer Abteilung die von einem schlecht frisierten, jungen Mann geführt wurde, welcher mich auch gerne mal mit einem Heftklammern-Tacker bewarf, wenn ich nicht parierte. Mit dieser strengen Führung kam ich damals nicht besonders gut zurecht, prinzipiell zweifele ich ja den Sinn von Autorität an. Und immer diese Disziplin – wofür das? Ich wollte frei sein, aber das verstanden meine Vorgesetzten nicht.

Eine gewisse Sorgfalt legte ich an den Tag, allerdings auch nicht mehr als nötig. Wenn Aufträge kamen, wurden sie eher schnell als gewissenhaft ausgeführt, ich wollte schließlich meine Ruhe. Und frei sein. Wie auch an dem Tag, als ein Mitarbeiter aus der Werkzeug-Abteilung anrief und mir mitteilte, dass ein bestimmter Borhammer noch dringend an ein Bauvorhaben geschickt werden müsse. Wenn möglich, sollte ich doch bitte das Gelöt dem entsprechenden LKW-Fahrer noch am selben Tage mitgeben. „Winkelsen, bitte notiere die Lieferanschrift: Rechtsanwaltsbüro! Das ist wichtig, bitte vergiß das nicht! Das schaffst Du doch, oder?“. „Klar, hab’s schon notiert: Anlieferung = Rechts am Wald, Büro!“. Klick.

Ich vermutete, dass dieses Büro dort am Wald so eine Art geheimer Codec war; der Fahrer kennt den Kunden bestimmt und weiß schon, wo er das Paket abzugeben hätte. Umso verwunderter war ich, als die Rückfrage kam: „Winkelsen, was hast Du da auf den Lieferschein geschrieben? Rechts am Wald? Welcher Wald?“. „Äh, Tannenberger Gehölz!“, meine knappe Antwort. Das Tannenberger Gehölz in Kiel-Projensdorf war der einzige Wald, den ich damals kannte. Hin und wieder rauchten wir nämlich Erdlöcher fütterten wir nämlich die Wildschwein-Frischlinge dort. Der wird das schon finden. Wenn nicht, dann muss er halt nochmal anrufen. Was er dann auch eine knappe halbe Stunde später tat: „WINKELSEN, wo genau soll dieses Büro hier sein? Und weisst Du eigentlich, wie groß dieser Wald ist?“. Nach Rückfrage in der Abteilung klärte sich der Sachverhalt dann.

Himmel, war der Fahrer sauer. Ich versuchte mich später noch mit einer vorgetäuschten Legasthenie rauszureden, was nicht klappte. Zum Glück wurde 1948 die Prügelstrafe illegalisiert und mit hohen Bußgeldern versehen, der Typ hätte mir sonst den Kiefer zerberstet. Dabei wollte ich doch nur frei sein!

[Im dritten Lehrjahr bekam ich übrigens Visitenkarten: „M.C. Winkel, Abteilung Industriebedarf + Umwelttechnik, rechts am Wald.“]

Kommentare

39 Antworten zu “Lehrjahre sind keine Herrenjahre”

  1. gregor sagt:

    first!

  2. Tim sagt:

    Ihr habt aber auch nur langeweile was? =D
    Nette Geschichte. =)

  3. ich bin heute zu kaputt, werde es erst morgen lesen

  4. Da bin ich ja froh, ist aus Ihnen doch noch was geworden, trotz vorgetäuschter Legasthenie.

  5. westernworld sagt:

    nur gut das du nicht als rechts-am -waldsgehilfe endetest.

    der anwalt hätte immer einen grund zu klagen.

  6. hans sagt:

    hätte der name ihres wurmfortsatzes nicht dickerhobel lauten sollen? oder liegt das wieder an den grammatikalischen eigenheiten der fischköppe norddeutschen?

  7. 500beine sagt:

    Am Wald rechts.. – das erinnert mich an die Notiz,
    die mein alter Kumpel Pepe mir in der Eile des Aufbruchs
    hinterlassen hatte, vor den großen Sommerferien:

    „Treffpunkt Mittelmeer, 13 uhr-
    Pepe.“

  8. Ronnie sagt:

    So was ähnliches kenne ich auch: Dort wurden immer die Europaletten mit einem Eding beschriftet, so dass der LkW-Fahrer die Paletten passend zur Auslieferungsreihenfolge in den Laster laden konnte. Außerdem gab es dort Paletten, die für den Müll (Recyclingstelle) gedacht waren. Der Lehrling sollte nun die Palette beschriften, damit sie der Fahrer zum Entsorgen bringen kann.

    Nach zwei Stunden rief der Fahrer wutentbrannt an, weil er den Ort „Mühl“ nicht finden kann. So viel zum Thema Legasthenie.

  9. Bateman sagt:

    Gewissenhaft – und wie war das damals im Baumarkt mit den Fliesen? ;)

  10. Malte sagt:

    Das war ja mal einer aus der Klasse „Firma Dangaard, ich buchstabiere…“

  11. olli sagt:

    Ah. Tannenberger Gehölz. IHR wart das damals… hätte ich mir ja denken können.

  12. rieth sagt:

    Großartig mal wieder! Noch cooler wäre aber gewesen, wenn du statt „…Das ist wichtig, bitte vergiß das nicht!“ „..Das ist wichtig, bitte vergeß das nicht!“ geschrieben hättest.;) Die Leute aus dieser Branche kennen doch nix von Imperativen.

    Sei´s drum – morgen Lotto spielen äh hören, spielen ja erst am Mi!?

    Gruß

  13. MC Winkel sagt:

    @ Tim: Langeweile? Niemals!
    @ roman: Was denkst Du, wie kaputt ich gestern war. Und icvh habe diesen Shizznit hier sogar noch geschrieben!
    @ CTC: Ist denn? :)
    @ westernworld: Hat er auch. Sein Büro lag nämlich realtiv weit links am Wald.
    @ hans: Nene, der hieß tatsächlich so!
    @ 500: War pepe pünktlich?`
    @ Ronnie: Aber Du hattest mit dem Azubi natürlich nichts zu tun, hm?! :)
    @ Bateman: Der Mann hat ein Gedächtnis – unfassbar! Chapeau, Batey.
    @ Malte: … hehe… Dora Anton Nordpol
    @ olli: Es waren Ihre Frischlinge? :)
    @ rieth: Ich weiss, aber hätte ich das gemacht, hätte man mir das wieder zu Lasten gelegt. Lotto: Wo wir jetzt nach Preetz quasi „Homies“ sind, muss ich da nicht hin! :)

  14. D. sagt:

    Dickenhobel ?
    Turmdrehkran triffts hier besser !
    D.

  15. steuertusse sagt:

    ganz schön Banane der junge MC – aber wieder mal ne schöne Geschichte ;o)

  16. Young Winkel bei der Entgegennahme von Arbeitsaufträgen Ich hab da so’n Rauschen im Ohr.

  17. sebi sagt:

    das haben sie doch mit absicht gemacht um von weiteren lästigen aufgaben verschont zu werden. ganz nach dem motto: „wenn der noch nicht einmal DAS kann…“

  18. KleinesF sagt:

    Wenn Sie nen Dickenhobel hatten, hatte ich nen Turmdrehkran. Im Wald und auf der Heidi.

  19. Ronnie sagt:

    @ MC: Nein, ich habe nichts mit dem Azubi zu tun. Auch wenn das keiner glauben mag. Das ist wie mit dem Kondome kaufen: „Die sind für einen Freund!“. So, ich gehe jetzt den Mühl runterbringen.

  20. creezy sagt:

    Ach, das kann ja mal passieren. Wenn der Anrufer so undeutlich nuschelt. Und schließlich hast Du den guten Mann ja nicht in den Wald bei Wanne-Eickel geschickt. Fahrer sind immer so entsetzlich sensibel. ;-)

  21. haze sagt:

    Lovemistertowerturnaroundcrane!;)Herrlich!

  22. der Kaiser sagt:

    Passiert so etwas heute immer noch?

  23. bosch sagt:

    Kann schon mal passieren. Lag aber wohl eher an schlecht geputztem Gehörgang als an einer Rechtschreibschwäche, oder?

  24. Dr.Sno* sagt:

    Ich hatte es ja noch nicht erwähnt, aber ich erhalte fast täglich vertrauliche Emails, die eigentlich ein Rechtsanwaltsbüro erhalten sollte, aber aufgrund der falsch Tippenden Klienten bei mir eintrudeln.

    Besagtes Rechtsanwaltsbüro hat sogar schon (vergeblich) versucht mich per Abmahnung dazu zu nötigen, Ihnen sämtliche Irrläufer zu melden und deren Löschung bei mir eidesstattlich durchzuführen.

    Aber nachdem die damals schon den Bohrhammer nicht bekommen haben, erklärt das auch, warum die so gereizt reagieren!

  25. greezer sagt:

    dickenhobel? um die Dicken zu.. ne lassen wir das.. sie schwein sie ;)

  26. Jolie sagt:

    ?zerberstet?

    MC Winkel-Spraak? ;)

  27. MC Winkel sagt:

    @ D.: Woher weisst Du das? :)
    @ steuertusse: Danke.
    @ Julie: Wie im Berufschul-Unterricht, wenn ich die Hausaufgaben nicht gemacht habe: „Mein Auge! Verdammt, da muss ‚was unter die Linse gekommen sein!“.
    @ sebi: Stimmt. Wenigstens erzähl ich das jetzt immer!
    @ f: Sie waren auch im Wald? Mit 500?
    @ Ronnie: :)
    @ creezy: Ja genau. Und dieser war sogar ein ganz sensibler!
    @ haze: Weisst Bescheid! :)
    @ Kaiser: Ja. Aber davon berichte ich erst in 10 Jahren.
    @ bosch: … und an den defekten Synapsen!
    @ Sno*: Ah, gut dass ich Dich gerade hier treffe: Kannst Du mit die Hilte mal ausleihen, Sno*?
    @ greezer: Was?
    @ Jolie: Unter anderem!

  28. GIZA sagt:

    Hihi! Gürtel und ich hatten mal ne schriftliche Anfrage nach einem „Amiuni“-Logo. Wir haben das dann gegoogelt und sogar bei Wiki gesucht.

    Nach 30Minutes ist es uns dann selber aufgefallen: Das Logo sollte wie die von Amerikanischen Hochschulen aussehen! Halt eine Ami-Uni!!!!

    gizzle

  29. Daniel sagt:

    @ winkelsen:

    der youtube clip hat mir die augen geöffnet … wir sehen uns beim nächsten post ;-)

    (erstmal nen feed reader installieren har har)

  30. Daniel sagt:

    sorry für den doppelpost aber @greezer:

    in wanne-eickel gibts keinen wald ;-)

  31. alex sagt:

    o, Ernst? @ Daniel
    also ich habe gerade keine Lust auf Bildersuche im Inet: Wanne-Eickel hat nicht einmal ein Wäldchen?

  32. abricht- und dickenhobel… hmmm… doch das hat was, irgendwie. kann mir zumindest was darunter vorstellen. ob ich mir das auch vorstellem möchte, ist die zweite frage… aber was solls. wer sich für seinen dödel solche namen ausdenkt, dem soll man nicht widersprechen *grins*

  33. .olli sagt:

    Nein. Das waren meine Löcher. Und das mit dem formalen Siezen würde ich jetzt gerne auch ohne Bier sein lassen! Immerhin trank ICH gerade ein Holsten (von Lidl, aus der Plastikflasche)…

  34. du bist der geilste

  35. Daniel sagt:

    [ot] @ alex: da ist doch direkt gelsenkirchen, bochum und herne drumherum…

    tut auch nichts zu sache. die frage wäre dann ab wann ist ein wald ein wald? also ab wievielen bäumen….[/ot]

  36. Mainbube sagt:

    Großartige Story, die mich zu einem kleinen gedanklichen Schwenk an meine Ausbildung im Verlag veranlasst hat. Dabei viel mir wieder die Geschichte ein, bei der ich für eine den Eierverkauf koordinieren durfte und meine ersten praktischen Erfahrungen in Sachen Neckermann Sammelbestellungen gemacht habe.

    Unter http://meiers.blogg.de/eintrag.php?id=1063 habe ich mich, durch dich inspiriert, dann auch zu einer kleinen Lehrlingsgeschichte hinreißen lassen.

  37. * sagt:

    zerberstet?

  38. […] nichts Schlimmes bedeuten. __ [Weitere “Lehrjahre sind keine Herrenjahre”-Geschichten: 1, […]

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