Ich sage – Ich denke


Ist doch immer wieder befremdlich, Menschen aus alten Tagen zu treffen, denen man gar nichts mehr zu sagen hat. Oft ist es so, dass man sich damals schon wenig zu erzählen hatte. Und dieser oberflächliche Smalltalk geht mir mehr auf die Nerven als ´nem türkischen Gemüsehändler die Gema. Für eine Landeshauptstadt ist Kiel wirklich verdammt klein, 280.000 Einwohner, man kann sich gar nicht aus dem Weg gehen. Und so sieht man sie halt immer wieder, die unliebsamen Albekanntschaften, die einem die Zeit rauben wie Hausratsversicherungsfachleute.

Es ist diese Nettiquette, die einen trotz gereiztem Nervensystem dem Gegenüber das sagen lässt, was er hören will. Und andersherum läuft es genauso. Ich kann ja hier nur mal für mich schreiben, aber es lässt sich bestimmt verallgemeinern:

Ich sage: „Heyyyy, Mensch, lange nicht gesehen!“
Ich denke: Scheiße. Naja, kurz reden muss man wohl.

Ich sage: „Gut schaust´ aus! Was machst´n so?“
Ich denke: Falten. Und fett geworden. Und sowieso: Links rein, rechts raus.

Ich sage: „Hui, das klingt nach Karriere! Nicht schlecht!“
Ich denke: Und wieso dann C&A-Jeans, Nokia 5110 und Clever&Smart-Comic-Krawatte?

Ich sage: „Hmm, hmm. Ja. Ach so. Hmm. Hmm.“
Ich denke: Halt die Fresse.

Ich sage: „Und sonst so? Hast Du jetzt Familie?“
Ich denke: Welche Frau verlässt den nicht? Familienplanung bei offensichtlicher Impotenz?

Ich sage: „Ja, stimmt, wir müssen unbedingt mal wieder telefonieren!“
Ich denke: Wenn Du das nächste mal Deine Klamotten wegschmeisst: Lass´ sie dabei an.

Ich sage: „Ich würd´ micht furchtbar gern länger mit Dir unterhalten, aber ´ne ebay-Auktion endet in 10 Minuten!“
Ich denke: Ich sollte die Stadt verlassen. Für immer.

Und bevor ich zum Abschied meine Hand reiche überlege ich schon, wo ich sie mir zeitnah wieder waschen kann. Aber das macht mich doch jetzt zu keinem schlechten Menschen, oder?!

Kommentare

6 Antworten zu “Ich sage – Ich denke”

  1. Gürtel sagt:

    moment mal, letztes mal, als wir uns getroffen haben, hast du genau dasselbe zu mir gesagt, jetzt weiß ich ja, was du gedacht hast, is schon klar, mc ;)
    nee, du, ich kenn das. gaanz schlimm diese art der konversation

  2. GL sagt:

    Und ich dachte schon, ich hätte einen Waschzwang… Meiner Einer scheint aber trotz allem weniger bedacht auf den „netten“ Ruf zu sein. Ich ignoriere diese Jenigen, zumindest in der Freizeit. Im Berufsleben ja meist leider nicht möglich, man hat ja noch Ziele vor Augen… Und dabei muss man vielleicht nochmal irgendwann an so Leuten vorbei. Egal, immer lächeln und nach der Begrüßung schnell in die Miniküche und mit Pril die Hände schrubben (scheint mir nämlich wirkungsvoller als ne normale Handseife). :-)

  3. Malcolm sagt:

    Fühle mich so verstanden!

  4. Beatmaster sagt:

    Ich kann Dich beruhigen, Du bist ein guter Mensch :-)! Ich hätte dem mein entleertetes Lächeln gespendet und wäre schon mit der Bemerkung „Hab‘ keine Zeit!“ ausser Acht gehen lassen. Schlimm, sowas! Wenn man die damals kannte und sieht, dass sie sich nicht verändert haben, dann gibt es nichts zu sagen.

  5. mai sagt:

    keine ahnung wohin ich diesen satz reinschreiben soll, wie kann man dir etwas mailen…. z.b. einen neuen header… der bereit liegt ;-)

  6. GürtelschnallE sagt:

    Soziale Verantwortung fängt im Kleinen an und hört bei der Deutschen Bank auf. Es kann ja nicht jeder so erfolgreich & smart, und so ein sympatisch aufstrebendes Jungtalent sein wie Du, MC. Deshalb: Reden ist Silber, mindestens.

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