Voll, der Wollmann.
364 Tage im Jahr erlebte ich Herrn Wollmann als gediegenen, fast pedantischen Buchhalter. Er war der Abteilungsleiter im Rechnungs- und Personalwesen, außerdem für uns Auszubildende zuständig. Ging es um Entschuldigungen für die Berufschule, um Unterschriften für die Zeugnisse, um vermögenswirksame Leistungen – Herr Wollmann war unser Ansprechpartner, der sämtliche Anliegen sofort und zur vollsten Zufriedenheit aller ereldigt. Aber 1x im Jahr, pünktlich zur Weihnachtsfeier, da war Herr Wollmann Herr Vollmann. Voll, der Wollmann.
Es gab wirklich jedes Jahr eine neue Kuriosität zu vermelden. Sämtliche Mitarbeiter freuten sich bei den Ankündigen zur nächsten Feierlichkeit größtenteils auf eine Sache: die nächste Wollmann’sche Eigenerniedrigung. Denn dass unser Herr Oberbuchhalter sich wieder einmal zuziehen würde wie die Wolkendecke des Schweizer Mittellandes war klarer als Calgonit behandeltes Svarovski-Mobiliar. Regelmäßig wurden Wetten angenommen, mit welcher Körperöffnung er dieses Jahr für Furore Sorgen würde. Guido Bellowski, ein Außendiesntmitarbeiter, schwadronierte hierfür regelmäßig durch sämtliche Büros, um die Tippzettel der teilnehmenden Angestellten einzusammeln. Im dritten Ausbildungsjahr wusste ich Bescheid, denn
3 Jahre zuvor setzte sich Wollmann noch vor Mitternacht in sein Büro. Sein Teint hatte sich inzwischen auf ein frisches Plattenbau-grau reduziert, sein linkes Auge stand nordwestlich zum Faxgerät, das rechte Auge lotrecht zum Erdmittelpunkt; und das soll man zurückgelehnt im Ledersessel erstmal schaffen – trotz Linoleumfußboden! Es dauerte nicht lang, bis er den Boden mit Erbrochenem übersäte. Ein furchtbarer Gestank, welcher auch am Montag morgen noch vorherrschte und das, obwohl er den Sonntag mit dem General Bergfrühling und einem Wischmop verbrachte. Ich nahm ihm diesen Vorfall jedoch nicht wirklich übel; war auch noch nie ein Linoleum-Freund.
Im Folgejahr dann die legendäre Strippstrappstrullerei. Im Empfangsbereich startend lief Wollmann gegen 3.00h am Morgen immerfort urinierend über den Flur, durch das Büro des Juniorchefs, durch die Räumlichkeiten der verschiedener Fachbereiche bis in die Küche. Auch eine Art, seinen Unmut kundzutun und gleichzeitig Kunst zu schaffen. Aber auch das war nach längerer Überlegung für mich nie eine wirkliche Alternative. Irgendwie war mir das zu vergänglich, ich bevorzugte weiterhin Graffiti.
Dann das Vorjahr. Hier verschwand Wollmann kurz nach der Geisterstunde, was den restlichen Anwesenden nicht unwillkommen war – immerhin könnte es so ja mal ein Jahr ohne Übergriffe werden. Dieser Wunsch wurde jedoch vom Außendienstmitarbeiter Bellowski um kurz nach 4h zerschmettert; so hatte er Wollmann schlafend in einer Parzelle der Herrentoilette aufgefunden. Wollmann kam daraufhin mit heruntergelassener Hose zum Veranstaltungsort zurück. Auf Rückfrage bekundete er, nun endlich den Saal der Firma entsprechend bestuhlen zu wollen. Auch das in meinen Augen keine Zuwiderhandling; mir missfielen die durchgesessenen Cordpolster schon seit Jahren. Zwei oder drei. Jahre.
Blieben also für die aktuelle Weihnachtsfeier nur noch 2 Dinge: Busengrabscherei oder Geschäftsführungsbeschimpfungen über das Mikrofon. Ich tippte auf eine Kombi aus beiden Möglichkeiten.
Wollmann blieb fern.
Der weiß dann montagmorgens natürlich nix mehr von, ne?
Vielmehr würde mich interessieren was der werte MC damals getrieben hat, vielleicht wurde daher der Herr
VWollmann nicht mehr gesichtet?so hat ne anständige weihnachtsfeier auszusehen!
@ westpfalz-johnny: Ich nehme an: nein. :)
@ André: Iiiieeech? Ich war ganz brav.
@ jan: Sie hätten mal die Sommerfeste sehen sollen!
traurige geschichte…. vor allem der letzte satz.. hast du in deinem weiteren leben denn einen neuen wollmann verzeichnen können? ;-)
Frei sein und ausgelassen, werter Herr Winkelsen,
herrlich! Und was sagte Herrn Wollmanns Mutter dazu?
Herzlich
Ihr Erdge Schoss
He, he, so einen Vogel hatten wir auch mal. Aber der hat sein Abendmal bei der Kollegin auf den Klo wieder heraus gegeben. Fragt sich jetzt nur, was er bei der Kollegin gemacht hat :-)
Ihre Frau Ährenwort
Les ich später. Aber könnte mal schnell ein Blogger-EM-Tipp-Widget-Dingens hier einbauen? Also solange ich noch Zweite bin. Bis heute abend…oder so….
*lach* – geile Story :D
und ich dachte immer so geht das nur aufm dorf ab-
dort wo ich gelernt habe. war ja auch so mit p…und sch…u …k…
aber bei dir auch? schöne remembers, du sun
Das scheint eine weitverbreitete „Krankheit“ der (Ober-)buchhalter zu sein! Ich kann mich an zwei ähnliche Fälle aus meinem Berufsleben erinnern. Schrecklich!
Und wenn das jetzt noch eine Frau gewesen wäre, hätte die Story wahrscheinlich nur die Hälfte der Leser witzig gefunden…
Plattenbaugrauer Teint..
Yepp!
Zum Zeitpunkt Ihrer Ausbildung gabs schon Faxgeräte?