The Roots – The Roots Come Alive Too: DYWM 30 Live At Blue Note NYC! – Ein Klassiker im neuen Licht

Das Blue Note ist mehr als ein Jazzclub, es ist ein Resonanzraum für Musik mit Seele. Genau dort feierten The Roots drei Jahrzehnte Do You Want More?!!!??! – jenes Album, das 1995 die Tür für organischen, bandgespielten HipHop aufstieß. Für die sechsteilige Residency im März 2025 spielten sie das Werk komplett, ohne Abkürzungen, ohne Filter. Und was jetzt als The Roots Come Alive Too: DYWM 30 Live At Blue Note NYC! erscheint, ist nicht einfach ein Konzertmitschnitt. Es ist eine Bestätigung, weshalb The Roots seit jeher als eine der besten Livebands des Genres gelten.
Schon die ersten Minuten machen klar, dass hier nicht nostalgisch abgefeiert wird. Der Einstieg Bass Intro / There’s Something Goin’ On / Love pulsiert wie ein lebendiges Organ. Questlove lässt die Drums rollen, Hub sorgt für eine elastische Basslinie und Black Thought klingt so klar, dass selbst Reddit-Kommentare davon schwärmen. Das Set ist bewusst roh, aber nie unfertig. Es trägt den Atem eines Raums, der zu klein für diese Energie wirkt – genau das macht die Aufnahme so intensiv.
The Roots Come Alive Too – Black Thought, das Blue Note und die Rückkehr alter Geister
Einer der emotionalsten Punkte: The Roots spielen Stücke, die sie teilweise seit Jahrzehnten nicht mehr angerührt haben. Section, Lazy Afternoon Pt. 1–3, Datskat oder Concerto Of The Desperado sind Zeitreisen, die sich trotzdem frisch anfühlen. Die Band spielt sie nicht als Museumsstücke, sondern wie Songs, die erst gestern entstanden sind. Silent Treatment bekommt eine warme Tiefe, die man auf dem Studioalbum nur erahnen konnte. Proceed und Proceed 2 laufen wie ein Funk-Gewitter über das Publikum hinweg, während Distortion To Static seine alte Aggressivität in eine tight gespielte Jazz-Kante übersetzt.
Und dann sind da die Gäste: Ursula Rucker veredelt The Unlocking mit derselben Spoken-Word-Spiritualität, die schon damals das Roots-Universum definierte. Dice Raw liefert auf The Lesson Pt. 1 diesen vertrauten Schub jugendlicher Philly-Energie. Rahzel, der menschliche Drumcomputer, sorgt live ohnehin für Gänsehaut – die Aufnahmen transportieren das beeindruckend gut.
Ein technisches Statement – Questlove kuratiert Vergangenheit
Questlove hat das komplette Werk mit Glen Forrest und Colin Mohnacs gemischt und gemastert. Das Resultat wirkt gleichzeitig detailliert und warm, ohne sich an steriler Perfektion festzubeißen. Die Gatefold-Edition mit 2xLP wirkt wie der logische Rahmen für dieses Projekt, denn dieses Album ist in Wahrheit eine Live-Dokumentation: ein Kapitel Kulturgeschichte mit Schweißfilm, Raumhall und echter Spielfreude.
Zwischen den Zeilen liest man die Fragen, die Fans seit Jahren beschäftigen: Wann kommt das neue Roots-Studioalbum? Die Diskussionen im Netz sind klar – genügend Material existiert, doch ohne ihren verstorbenen Manager fehlt derjenige, der früher sagte: „Stop. Das Album ist fertig.“ Vielleicht ist dieses Live-Release genau der Reset, den die Band brauchte. Ein Zeichen, dass der Motor noch läuft.
Fazit | tl;dr
The Roots Come Alive Too ist kein Bonus für Hardcore-Fans. Es ist die Re-Aktualisierung eines der wichtigsten HipHop-Alben der 90er – gespielt von einer Band, die heute noch besser ist als damals. Die Aufnahme ist eng, lebendig, mitreißend und ein zeitloser Reminder, warum The Roots als Liveband unantastbar bleiben.


