The Offline – La Grande Evasion: Ein albumlanger Ausbruch ins Innere

The Offline La Grande Evasion

Der Hamburger Multiinstrumentalist Felix Müller alias The Offline veröffentlicht mit La Grande Evasion sein zweites Studioalbum. Es erscheint via DeepMatter Records und setzt seinen ganz eigenen filmischen Kosmos fort. Die Platte versteht sich als Einladung. Als Fluchtpunkt. Als Moment, in dem Musik Orte ersetzt. Und Erinnerungen zu Szenen werden. Felix Müller beschreibt das Album als „eine Reise durch Imagination“, und genau das entfaltet sich hier: ein Soundtrack, der ohne Film auskommt, weil die Bilder im Kopf entstehen.

The Offline x La Grande Evasion – Zwischen Atlantik, Marseilles und Analogträumen

Die Geschichte von The Offline beginnt an der französischen Atlantikküste. Dort streifte Müller mit einer analogen Kamera durch Dünen, Hafenstädte und Strände. Zurück in Hamburg entstand die Musik als klingende Entsprechung dieser Bilder. Seit der Debüt-EP En Clair-Obscur baut Müller an einem cineastischen Universum, das zwischen LoFi-Attitüde, Vintage-Soul, mediterranen Momenten und Jazz-Fragmenten schimmert. La Grande Evasion knüpft daran an und erweitert den Radius. Es geht um Flucht. Um Bewegung. Um inneres und äußeres Reisen.

Boulevard National – Sonnenflecken auf Asphalt

Der Opener und erste Single Boulevard National führt zurück nach Marseilles und spinnt die Linie der EP Les Cigales weiter. Der Track mischt anatolischen Psych mit West-Coast-Surf und fängt diese eigenartige Mischung aus Hitze, Hektik und maritimem Puls ein, die Marseilles ausmacht. Der Groove wirkt leichtfüßig, doch im Kern steckt eine Sehnsucht: der Wunsch, aufzubrechen, ohne zu wissen, wohin.

Nikonos V – die Rückkehr zum Ursprung

In Nikonos V thematisiert Müller die Kamera, die das gesamte The Offline-Projekt ausgelöst hat. Eine analoge Unterwasserkamera, immer dabei, wenn er entlang der Küste unterwegs ist. Musikalisch bleibt alles warm, entrückt, laidback. Die Gitarrenlinien erinnern an Khruangbin, die Bassläufe an Tommy Guerrero. Der Song wirkt wie ein Polaroid. Ein eingefrorener Sommertag, der sich beim Hören wieder erwärmt.

Le trip – psychedelische Seitenwege

Mit Le trip biegt das Album in eine surrealere Richtung ab. Breakbeats, leicht verschobene Harmonien, dazu ein freies Saxophonspiel von Langzeitpartner Kimo Eiserbeck. Der Track steht irgendwo zwischen japanischem Jazz-Funk der 70er, Boom Bap und dem improvisatorischen Geist von BADBADNOTGOOD. Hier zeigt Müller Mut zur Unschärfe. Alles wabert, taumelt, dreht sich – und bleibt dennoch fokussiert genug, um in der Dramaturgie Sinn zu ergeben.

La belle en lumière – das Herz der Platte

Zwischen diesen sonnigen, driftenden Fragmenten steht La belle en lumière als emotionaler Ruhepol. Rhodes-Akkorde, warme Hörner, ein langsamer Aufbau, der nie aus dem Gleichgewicht gerät. Der Track wirkt wie eine Erinnerung, die man länger festhalten möchte, weil sie leuchtet, obwohl sie verblasst. Hier kristallisiert sich der Kern des Albums: Flucht ist nicht immer Bewegung. Manchmal ist es Rückzug. Manchmal ist es Stille.

Ein filmisches Universum – wieder ein Schritt weiter

The Offline bleibt ein Künstler, der Klang zu Bildern macht. La Grande Evasion erweitert sein filmisches Universum, ohne sich zu wiederholen. Müller bleibt seiner analogen Ästhetik treu, doch er verschiebt sie in Richtung Groove, Improvisation und innerer Reise. Das Album funktioniert wie ein Tagebuch. Nur dass hier kein Wort geschrieben wird. Alles erzählt sich über Texturen, Stimmungen und kleine melodische Gesten.

The Offline x La Grande Evasion – Fazit | tl;dr

La Grande Evasion ist The Offlines bisher weitreichendstes Projekt. Das Album verbindet mediterrane Wärme, analoge Nostalgie und jazzige Improvisation zu einem fluiden, filmischen Sound. Es wirkt wie ein Roadtrip ohne Straße, wie eine Flucht ohne Ziel – und gerade deshalb wie ein echter Moment des Entkommens.

The Offline – „La Grande Evasion“ // Spotify:

The Offline – „La Grande Evasion“ // Bandcamp:

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