PRÜF! Denn wer die Demokratie schützen will, muss ihre Gegner prüfen

Es gibt Momente, in denen eine Gesellschaft entscheiden muss, ob sie weiter zuschaut – oder handelt. Deutschland steht genau an diesem Punkt. Während rechtsextreme Kräfte auf kommunaler Ebene Sitze gewinnen und in Parlamenten längst angekommen sind, wächst in der Mitte der Gesellschaft das Gefühl, dass man ohnehin nichts mehr ändern kann. Viele Menschen haben resigniert. Die Demos seien gut gemeint, heißt es, aber sie würden nichts bewirken. Genau hier setzt die Kampagne PRÜF! an. Sie will nicht nur Haltung zeigen, sondern ein konkretes Ziel erreichen: Der Bundesrat soll beim Bundesverfassungsgericht die Prüfung demokratiefeindlicher Parteien beantragen.
Keine leeren Parolen, keine moralischen Appelle – sondern ein strukturiertes Vorgehen, das auf Logik, Recht und gesellschaftliche Verantwortung basiert.
PRÜF! Demokratie schützen – Von der Lähmung zur Bewegung
Nico Semsrott, der Initiator der Kampagne, beginnt sein Video mit einem Satz, der wie ein Spiegel wirkt: „Viele gucken darauf, was die anderen machen – und zu wenig darauf, was sie selbst tun können.“ Er bringt damit die Stimmung einer Gesellschaft auf den Punkt, die sich ohnmächtig fühlt. Statt auf Politik oder Medien zu warten, will PRÜF! Menschen in Bewegung bringen, die an Demokratie glauben, aber nicht wissen, wo sie anfangen sollen.
Der Clou dabei: Es geht nicht um Wut, sondern um Konsequenz. Um die nüchterne, aber entschlossene Anwendung rechtsstaatlicher Mittel gegen Parteien, die offen gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung agieren.
Warum „Prüfen“ mehr Wirkung hat als „Verbieten“
Der entscheidende Unterschied dieser Kampagne liegt in der Wortwahl. Das Ziel ist keine Verbotsforderung – sondern die Prüfung. Ein juristisch sauberer, überprüfbarer Prozess, der darüber entscheidet, ob eine Partei verfassungsfeindlich ist oder nicht. „Verbot“ klingt nach Machtakt, „Prüfung“ nach Gerechtigkeit. Diese semantische Verschiebung öffnet den Diskurs: Auch Konservative oder Menschen, die Parteiverbote skeptisch sehen, können sich anschließen, weil es um Fairness geht – um die Anwendung geltenden Rechts.
Deutschland ist ein Land, das prüft: TÜV, Steuererklärung, Stiftung Warentest. Alles wird kontrolliert. Es wäre absurd, ausgerechnet bei den Feinden der Verfassung darauf zu verzichten.
Demokratie schützen – Struktur statt Symbolik
Semsrott beschreibt in seinem Video die einfache Mechanik des politischen Prozesses: Der Bundesrat kann die Prüfung beim Bundesverfassungsgericht beantragen. Dafür braucht es eine Mehrheit der Länderstimmen. Ziel ist es, über regelmäßige Demonstrationen in allen Landeshauptstädten politischen Druck aufzubauen – bis diese Mehrheit erreicht ist.
Die Idee ist bewusst langfristig angelegt. Am 8. November in Hamburg startet die erste Kundgebung, danach soll an jedem zweiten Samstag im Monat demonstriert werden. Keine Schnellaktion, sondern ein Marathon. Semsrott verweist auf Studien, die zeigen: Proteste wirken dann, wenn sie wiederholt, groß und breit gestreut sind. Genau das ist der Plan – Wiederholung statt Strohfeuer.
Der soziale Hebel
Einer der eindringlichsten Momente des Videos ist Semsrotts Beschreibung von „Ansteckung“. Er erzählt, wie sich in einem Publikum Lachen oder Applaus ausbreiten – weil Menschen voneinander lernen, sich gegenseitig ermutigen. Genau so entstehe gesellschaftlicher Wandel: durch kleine, sichtbare Gesten, die Mut machen.
Jede Unterschrift, jedes geteilte Video, jede Teilnahme an einer Demo ist ein Signal. Wenn drei Prozent einer Bevölkerung aktiv werden, verändern sie nachweislich Politik. In Deutschland haben bereits fünf Prozent der Menschen an Demos gegen Rechts teilgenommen. Das Potenzial ist da – es muss nur in Bewegung bleiben.
PRÜF! – Eine Bewegung ohne Feindbild
Bemerkenswert ist, dass PRÜF! keine Namen nennt. Es geht nicht darum, einer einzelnen Partei Aufmerksamkeit zu schenken, sondern um ein Prinzip. Der Slogan lautet: „Prüfung rettet Freiheit.“ Dahinter steckt die Idee, den Diskurs zu drehen: Nicht „alle gegen eine Partei“, sondern „alle für das Grundgesetz“.
Das macht die Kampagne anschlussfähig für Vereine, Initiativen und Organisationen, die sich sonst aus parteipolitischen Konflikten heraushalten müssen. PRÜF! ist kein linker Aktivismus, sondern ein Appell an den Rechtsstaat.
Prüfen als Akt der Selbstachtung
Semsrott formuliert es trocken, aber klar: „Im Prüfen sind wir stark.“ Damit verweist er auf eine kulturelle Stärke, die längst Teil des Selbstverständnisses ist. Deutschland ist gründlich, präzise, ordnungsliebend – und genau das ist in diesem Fall eine Tugend. Denn wenn das Grundgesetz ernst genommen wird, darf man den Verdacht der Verfassungsfeindlichkeit nicht ignorieren.
Der Punkt ist nicht, ob man eine Partei „mag“ oder „nicht mag“. Der Punkt ist, ob sie sich an die Spielregeln der Demokratie hält. Wenn nicht, dann muss geprüft werden. Alles andere wäre ein Verrat am eigenen System.
Fazit | tl;dr
PRÜF! (hier weitere Infos) ist keine Kampagne der Wut, sondern der Verantwortung. Sie zeigt, dass Demokratie nicht aus sich selbst heraus stabil bleibt, sondern aktiv verteidigt werden muss – mit Vernunft, mit Ausdauer und mit der Kraft der Mehrheit, die längst da ist.
In Zeiten, in denen lautstarke Minderheiten den Diskurs dominieren, ist diese Idee fast radikal in ihrer Ruhe. Sie fordert nichts, was nicht längst im Grundgesetz steht – aber sie verlangt, dass wir es endlich anwenden. Vielleicht ist das die eigentliche Provokation: dass die Verteidigung der Demokratie nicht spektakulär, sondern schlicht konsequent sein muss.


