Koralle & Yawuh – „Primo Quarto“: Wenn der Mond zwischen Licht und Schatten steht

Im warmen Dämmerlicht einer italienischen Stadt entstand eines der spannendsten Jazzbeat-Alben des Jahres. Primo Quarto ist die erste gemeinsame Platte von Koralle und Yawuh – zwei Produzenten aus Bologna, die ihr Handwerk mit einer spürbaren Liebe zum Detail betreiben. Entstanden ist ein Werk, das so ruhig, tief und atmosphärisch klingt wie eine laue Nacht über den Dächern Norditaliens. Dreizehn Tracks voller Soul, Jazz und Groove, aufgenommen zwischen dem ersten und vierten Stock eines Apartmenthauses: unten Yawuh, oben Koralle.
Doch das Album ist weit mehr als eine urbane Nachbarschaftsgeschichte. Es ist ein Dialog zwischen zwei Klangästheten, die ihre musikalische Sprache auf erstaunlich natürliche Weise vereinen. Unterstützt werden sie dabei von einer ganzen Reihe talentierter Mitstreiter: die italienischen Musiker Matteo Magnaterra, Piergiorgio Perrella, Giovanni Tamburini und Gianluca Arcesilai sowie die US-MCs Anti Lilly, Tiff The Gift und Physical Graffiti. Außerdem geben sich Produzentenfreunde wie Saib, Phlocalyst und Lorenzo Morresi die Ehre.
Koralle & Yawuh x Primo Quarto – Zwischen Licht und Schatten
Der Albumtitel Primo Quarto bezeichnet im Italienischen die erste Viertelmondphase – jenen Moment, in dem der Mond halb im Licht und halb im Dunkel steht. Diese Symbolik durchzieht das gesamte Album. Koralle und Yawuh beschreiben ihn als Gleichgewicht zwischen „dem Sichtbaren und dem Verborgenen, zwischen Klarheit und Mysterium“. Und genau so klingt es: hell schimmernde Rhodes-Akkorde treffen auf tiefe, warme Bassläufe, während vernebelte Bläser und sanfte Drums eine Atmosphäre schaffen, die gleichermaßen klar wie geheimnisvoll wirkt.
Besonders deutlich wird das im Stück „Shangri-La“, einem erdigen Soul-Jazz-Track, der den Hörer in eine friedliche, fast utopische Welt entführt. Yawuh beschreibt diese Stadt aus Klang als „Ort, an dem urbanes Leben, Stille und Natur aufeinandertreffen“. Hier zeigt sich die Stärke des Albums: es bleibt organisch und nahbar, ohne an Raffinesse zu verlieren.
Der Sound von Freundschaft und Vertrauen
Musikalisch erinnert Primo Quarto an die goldenen Tage von Melting Pot Music, an jene Ära, in der Jazz-Beats, Hip-Hop-Vibes und mediterrane Leichtigkeit eine perfekte Symbiose bildeten. Koralle, längst einer der bekanntesten italienischen Beatmaker, beweist hier erneut, dass sein Stil zwischen Lo-Fi-Ästhetik und Live-Musikalität einzigartig bleibt. Schon mit Bassona (2024, gemeinsam mit Francesco Giampaoli) und Eat The Kiwi Skin (mit Isatta Sheriff) zeigte er, wie weit er die Grenzen von Jazz-Rap dehnen kann.
Yawuh hingegen bringt eine feinsinnige, fast kuratorische Note ins Projekt. Als Mitbegründer des Kollektivs Beats Tailors und Mitglied der Jazz-Hip-Hop-Gruppe Unword hat er ein Gespür für Strukturen und Dramaturgie. Gemeinsam schaffen beide ein Klangbild, das wie ein nächtliches Gespräch wirkt – ruhig, ehrlich und voller gegenseitigem Vertrauen.
Primo Quarto – Ein urbanes Shangri-La
Primo Quarto ist kein Album für flüchtige Playlists. Es verlangt, gehört zu werden, wenn die Stadt schläft und die Gedanken frei sind. Dann entfaltet sich seine Magie: das Wechselspiel aus Licht und Schatten, Präzision und Intuition, Jazz und Beat.
Für Koralle und Yawuh ist diese Platte ein Symbol ihrer Freundschaft, aber auch eine Hommage an jene stillen Stunden, in denen Musik entsteht, die zugleich beruhigt und inspiriert. Primo Quarto (Vinyl hier) ist ein modernes Jazzbeat-Album, das Ruhe ausstrahlt, ohne je langweilig zu werden – eine Einladung, innezuhalten und den Mond über Bologna leuchten zu sehen.


