Karnevizzle
MC hat ja gerade wieder Besuch aus Köln. Der Ex-Kieler H. lässt sich von Zeit zu Zeit mal blicken, Freunde + Eltern mal wieder sehen, das Meer mal wieder sehen; ihr kennt das. Als Wahlkölner weiss man nach acht Jahren Bescheid: Karneval grundsätzlich ja, aber am Samstag ist Schluss! Der übelste Karnevalstag, den man lieber nicht verpassen sollte, sei der Donnerstag, Altweiberfastnacht. Dann geht´s eigentlich noch 6 Tage weiter (u.a. Rosenmontag, Aschermittwoch), diese Zeit ist aber wirklich ausschließlich etwas für überzeugte Karnevalisten, Neukölner, Touristen, Alkoholiker oder Gesichtsgrätschen mit instabilem Sexualleben. MC war vor 4 Jahren auch mal da. Ich sah jede Menge Unzucht, hätte bestimmt noch wesentlich mehr gesehen, wenn der Taxifahrer mich nicht 200m vor dem Ziel meiner Begierde rausgeschmissen (immerhin blieb mir somit der Fahrpreis erspart) und das sagenumwobene „Haxenhaus“ mir kein Hausverbot erteilt hätte. War aber dennoch witzig.
H. hat auf jeden Fall für dieses Jahr genug und floh rechtzeitig 500km Richtung Norden. Allerdings nicht, ohne an besagten Altweiberfastnacht-Donnerstag noch etwas Erzählenswertes zu erleben. Nach der morgendlichen Dusche mit anschließeder Q-Tip-Ohrenbehandlung fing das rechte Ohr übelst zu Schmerzen an. Ein ganz böses Stechen, bei jeder Berührung des Ohres. H. ist an sich nicht des Schmerzes Kind, den Faschingsauftakt will man sich trotzdem keineswegs versauen lassen. Man kommt wohl an der Konsultation des HNO-Mediziners nicht vorbei. Die Zeit drängt, so ein unvorhergesehener Arztbesuch passt eigentlich gar nicht in den Zeitplan; ach was – geht man halt direkt kostümiert zum Arzt!
Für mich als kühles Nordlicht (was man uns nachsagt, meiner Mentalität aber nicht wirklich entspricht) schon amüsant genug. So zeigte ich oft schonmal öffentlich den Vollmond, peinliche Karaoke-Shows sind mir nicht fremd, auch den Knigge habe ich bei Seite 3 weggelegt – aber im Häschen-Kostüm zum Arzt?! An diesem bestimmten Donnerstag in der westlichsten Hauptstadt des Karnevals ist das aber absolut kein Problem: Der Arzt war nämlich selbst inkognito, rannte den ganzen Tag in kompletter Football-Montur, mit angemaltem Gesicht durch seine Praxis! Und den verkrusteten Ohrenschmalz, welcher H. auf das Trommelfell stach, entfernte er auch noch fachmännisch… Alaaf!
„Alaaf und Helau! – Seid ihr bereit?
Willkommen zur Beklopptenzeit!
Mer kenne des aus Akte X,
doch Mulder rufe hilft da nix,
des kommt durch Strahle aus dem All,
und plötzlisch ist dann Karneval!
(Tusch)
Uff einen Schlach werd’n alle dämlisch,
denn das befiehlt das Datum nämlisch!
Es ist die Zeit der tollen Tage,
so eine Art Idiotenplage,
eine Verschwörung, blöd zu werden,
die jährlich um sich greift auf Erden.
Ei‘ wahre Ausgeburt der Hölle,
und Ausgangspunkt davon ist Kölle!
(Tusch)
Denn dort gibt’s nisch nur RTL,
das Fernseh-Einheitsbrei-Kartell,
sondern aach jede Menge Jecken,
die sisch auf Nasen Pappe stecken,
in Teufelssekten sich gruppieren
danach zum Elferrat formieren
und dann muss selbst das döfste Schwein
dort auf Kommando fröhlisch sein.
(Tusch)
Auf einmal tun in allen Ländern
die Leude sisch ganz schlimm verändern.
Sie geh’n sisch hemmungslos besaufe
und fremde Mensche Freibier kaufe,
schmeiße sisch Bonbons an die Schädel,
betatsche Jungens und aach Mädel
und tun eim jede, den sie sehen,
ganz fuschtbar uff de Eier gehen!
Sie tun nur noch in Reime spreche
und sind so witzisch, man könnt‘ breche,
bewege sisch in Polonäsen,
als trügen sie Gehirnprothesen,
man möschte ihnen – im Vertrauen –
am liebsten in die Fresse hauen!
(Tusch und Konfetti-Kanone)
Doch was soll man dagege mache?
Soll man vielleicht noch drüber lache?
Es hilft kein Schreie und kein Schimpfe,
man kann sisch nich mal gegen impfe,
die Macht der Doofen ist zu staak,
als dass man sisch zu wehr’n vermag!
(kein Tusch)
Am Besten ist, man bleibt zu Haus
und sperrt den Wahnsinn aanfach aus.
Man schließt sich ein paar Tage ein
und lässt die Blöden blöde sein!
Der Trick ist, dass man sich verpisst,
bis widder Aschermittwoch ist!
Und steht ein Zombie vor der Tür,
mit so ’nem Pappnasengeschwür,
und sagt statt „Hallo“ nur „Helau“,
dann dreh sie um, die dumme Sau,
und tritt ihr kräftisch in den Arsch
und ruf dabei: Narrhalla-Marsch!“
„Vielen Dank …“
(Tusch, Narhalla-Marsch mit schnellem Weglaufen)
Komisch, ich entdecke auf der Homepage des Haxenhauses nicht einen einzigen Hinweis auf einen angeschlossenen Amüsierservice…
So sah ich am Samstag beim Geisterzug im Kölle ein graues Häschen. Plüschiges Fell, süße lange Schlappohren, aufgeschminkte Schnurhaare… Blut floss ihm aus dem Maul und es machte ein mürrisches Gesicht. Auf dem Rücken prangte ein Schild, das den Hasen als „Bestie“ auswies.
Da Ihr Bekannter im Norden weilte, darf ich wohl leider annehmen, dass es sich hier NICHT um eben jenen handelte, oder?
@ KleinesF: Vielen Dank für diese erfrischenden und mir aus der Seele schreienden Zeilen! (stehende Ovationen, begeisterte Oh- und Ah-Rufe, zwischendurch auch die üblichen Freudenpfiffe…)