Annie and the Caldwells – Can’t Lose My (Soul): Eine spirituelle Familienangelegenheit

Annie and the Caldwells

Manchmal schreibt das Leben die besten Geschichten – Can’t Lose My (Soul) ist eine davon. Annie and the Caldwells sind keine Newcomer. Seit über 40 Jahren spielt die Familienband zusammen, doch erst jetzt erscheint ihr erstes Album. Der Katalysator? Eine Wiederentdeckung aus den 70ern: Annie Caldwells erste Single Waiting for the Trumpet to Sound, damals veröffentlicht unter dem Namen Staples Jr Singers, tauchte wie ein verschollener Schatz auf einer Gospel-Compilation des Labels Luaka Bop wieder auf – kuratiert von niemand Geringerem als David Byrne. Annie and the Caldwells mit „Can’t Lose My (Soul)“ – das ist eine spirituelle Familienangelegenheit mit Groove und Herz.

Ein Anruf später nahm das Schicksal seinen Lauf: Annie stellte ihr aktuelles Bandprojekt vor, bestehend aus Ehemann, Kindern und einer Patentochter. Die Verantwortlichen hörten rein – und sagten sofort zu.

Annie and the Caldwells – Gospel, aber ohne Pathos

Das Album wurde live in einer Kirche in West Point, Mississippi aufgenommen. Ohne Publikum. Ohne Effekt-Filter. Und gerade deshalb wirkt es so unmittelbar, so echt, so kraftvoll. Kein nostalgischer Retro-Soul mit künstlichem Vinyl-Knistern, sondern pure Gegenwart.

Annie Caldwell ist das Herz dieser Musik. Ihre Stimme ist roh, soulful, getragen von jahrzehntelanger Erfahrung. Und wenn ihre Töchter in die Harmonien einstimmen, passiert etwas Magisches: ein fast telepathisches Zusammenspiel. Besonders bei den längeren Stücken wie dem Titeltrack oder Don’t You Hear Me Calling entfalten sich diese Momente voller Wärme und Spontaneität.

Zwischen Wah-Wah, Funk und Disco

Musikalisch zeigt sich das Album erstaunlich vielseitig. Zwar wurzelt alles im Gospel, doch Blues, Funk und Soul fließen ständig mit ein. Dear Lord groovt mit einem Basslauf, der auch Bootsy Collins gefallen würde. I’m Going to Rise erinnert an Southern Soul, eingebettet in butterweiche Wah-Wah-Gitarren.

Und dann wären da noch die Uptempo-Tracks. „I Made It“ oder „Wrong“ schielen klar Richtung Disco. Letzterer Song, bei dem kurz sogar das Thema Untreue auftaucht (natürlich mit dem Teufel als Sündenbock), ist ein instantiger Ohrwurm mit einem Gitarrenlick, der geradezu nach einem Sample schreit. Kein Wunder, dass Disco-Legende Nicky Siano bereits einen Remix beigesteuert hat.

Improvisation statt Inszenierung

Laut Deborah Caldwell übt die Band kaum – sie spielen einfach, wie sie jeden zweiten Sonntag in der Kirche spielen würden. Das Ergebnis klingt dennoch unglaublich tight. Die Kombination aus Struktur und Freiheit sorgt für Dynamik und emotionale Tiefe. Jede Note, jede Silbe fühlt sich durchlebt an. Dabei ist die Produktion angenehm zurückhaltend. Kein Bombast, kein dramatisches Overdubbing. Alles steht im Dienst der Songs, der Stimmen, der Geschichten.

Annie and the Caldwells – Hoffnung als roter Faden

Inhaltlich ist „Can’t Lose My (Soul)“ (Vinyl hier) weniger Predigt als Lebensbericht. Es geht um Verlust, um Angst, um Wunder – etwa die überstandene Hausbrand-Szene in God Spoke to Death. Und doch ist der Tenor positiv. Kein moralischer Zeigefinger, kein Höllenfeuer, sondern Mitgefühl und Zuversicht. Gerade in einer Welt voller Krisen und Überforderung wirkt diese Musik wie ein warmes Licht.

Fazit | tl;dr

Can’t Lose My (Soul) ist ein Geschenk: musikalisch vielfältig, emotional tiefgehend, spirituell ohne Dogma. Annie and the Caldwells zeigen, was passieren kann, wenn man über Jahrzehnte im Verborgenen feilt – und dann genau im richtigen Moment auftaucht.

Dieses Album ist kein Relikt aus der Vergangenheit, sondern eine kraftvolle Erinnerung daran, wie relevant und notwendig soulgetränkte Musik heute noch ist. Man sollte es hören – nicht nur, weil es gut ist. Sondern weil man es gerade jetzt brauchen könnte.

Annie and the Caldwells – „Can’t Lose My (Soul)“ // Spotify Stream:

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