Rosenkrieg – wie aus Dornen Speere werden.

Die Sache mit Maren war niemals ernst gemeint. Wir führten eine Quasi-Beziehung, wussten aber beide, dass daraus niemals mehr werden würde. Dennoch bleiben wir einander treu, zumindest solange wir uns regelmäßig trafen. Mir war das auch irgendwie wichtig, ich teilte stets ungern und war der Auffassung, man könne sich ja auch mal zusammenreißen. Wie Tauzieher. Das sah Maren offensichtlich anders, aber wenigstens gestand sie mir ihr Tête-à-tête mit Sven, einem Türsteher. Von dem Moment an hatte ich mit der Sache abgeschlossen; mit Maren aber noch nicht. Ausgerechnet Svens Spiel sollte besser sein als meines? Ich musste mir etwas einfallen lassen.

Rosenkrieg. Aber nicht so ein Weicheikram wie bei Douglas und Turner; ich wollte richtige Geschütze auffahren! Ich startete mit einer Kontaktanzeige. Jedoch nicht irgendeine – ich annoncierte unter „Vollschlanke Russin verwöhnt Dich mit den Füßen – auch Haus und Hotelbesuche“ und Marens Telefonnummer in der Hamburger Morgenpost. Das war nicht nur aufgrund des erhöhtem Telefonaufkommens in den Folgewochen nicht besonders liebenswert; das „russisch“ wählte ich bezüglich eines rabiaten und aus Moskau stammenden Ex-Freundes und das „vollschlank“ sollte sie an ihre leichten Essstörungen erinnern. Und wenn sie eines mehr hasste, als ihren rabiaten und aus Moskau stammenden Ex-Freund, dann waren es Füße. Jetzt, so dachte ich, wäre ich auch endlich mit Maren durch.
War ich aber nicht.

Irgendwie fiel es mir schwer, in den Wochen nach der MoPo-Anzeige Kontakt zu weiteren Frauen herzustellen. Man schaute mich argwöhnisch bis verachtent an, nicht selten kicherte man hinter a) vorgehaltener Hand und b) meinem Rücken. Erst, als mich Françoise, die Empfangsdame in meinem Fitnessstudio, fragte, ob denn inzwischen gesundheitlich wieder alles klar sein würde, roch ich den Braten wie die Bewohner des ersten Stockwerkes über dem Steakhouse. „Wieso fragst Du, mir geht es blendend?“. „Naja, Maren erzählte da etwas von nässenden Feigwarzen. Und das mit dem künstlichen Darmausgang ist mir auch neu, zeig doch mal!“. Dieses Biest blieb also auch nicht untätig. Gut, es war Zeit für den nächsten Schritt. Wenn Maren etwas heilig war, wenn es nur eine Sache gab, bei der ihr das wahren tadelloser Umgangsformen wichtig war, dann war es die

Familie. Besonders der Vater war ihr wichtig. Niemals dürfte der Vater wissen, dass sie raucht und gelegentlich Alkohol trinkt. Vom vorehelichen Sex einmal ganz zu schweigen. Ginge es nach dem Vater, so trüge Maren einen Keuschheitsgürtel mit 50-stelligem Zahlencode. Täglich rief er bei ihr an und legte nicht auf, bevor Maren den Hörer abnahm. Für mich war es auch keine Zufall mehr, dass wenn immer wir vögelten, er anrief – und jedes Mal wurde sofort interruptiert. Ich schenkte Maren sogar einmal ein Kaninchen in der Hoffnung, es würde die Telefonschnur durchnagen. Tat es aber nicht. Stattdessen schiss mir das Mistvieh einmal in der Mittagspause mein frisch gemangeltes Oberhemd zu, was das Kollegium wenig später sehr amüsierte; aber das nur am Rande. Meine Idee: mit verstellter Stimme und anatolischem Akzent sprach ich in der Nacht von Montag auf Dienstag gegen 4.00h auf den elterlichen Anrufbeantworter: „Maren bist du da? Iesch muss Diesch sehn, Du muhsst kommen zu mir. Du muhsst wieda machen mit dem Mund wie letzte mal, keine kann besser. Maren, komm zu mir. Iesch gebe wieda Geld. Komm zu mir, ja?“. So, jetzt sollte ich Ruhe haben.
Hatte ich aber nicht.

Es war noch am gleichen Abend. Ich lag entspannt auf der Couch und schaute Dallas, als es an der Haustür klingelte. Wer würde mich denn jetzt unangelemeldet heimsuchen? Vielleicht war es Maren, mit einer Versöhnungssex-Offerte? Vielleicht aber auch ihr Vater, beschlagringt und mit Morgenstern? Vielleicht der Tod? Nein, es kam viel schlimmer. „Hallo Herr Winkelsen. Wir hatten einen Termin vereinbart, ist ihre auch Frau da? Ich habe alle Modelle dabei. Auch – wie besprochen – den Goliath in lila!“. Steht da doch tatsächlich so eine Dildotante vor der Tür. „Sie, äh, müssen sich verwählt haben.“, sagte ich und schloss die Tür. Ich hasse lila.

Ich musste zum letzten Mittel greifen. Es gab wirklich nur eine Sache, mit der ich endgültig für Ruhe sorgen könnte. Eine Inszenierung, die ich zuletzt 1979 aufführte, als mir der rothaarige Gunnar in der Schule seinen Zirkel wie ein Damoklesschwert direkt über meinen Platz in der Decke befestigte: ich brauchte Hundekacke, eine Zeitung und ein Feuerzeug! Originellerweise nahm ich die Morgenpost mit besagter Annonce, befüllte diese Mittig mit dem Kot –

– gut, es war kein Kot. Ich brachte es nicht nicht übers Herz. Schokopuding. Ich nahm stattdessen Schokopudding. Ich legte die Zeitung auf die Türschwelle im Mehrfamilienhaus, zündete sie an und klingelte, vorsichtshalber wartete ich mit Hansen auf halber Treppe. Maren öffnete. Sie sah die brennende Zeitung, schrie kurz auf und schloss die Tür wieder. Hansen guckte mich fragend an und ich gab gerade zu verstehen, mit mitgebrachtem Feuerlöscher zu Werke gehen zu wollen, als Maren erneut die Tür öffnete. „Bevor du deine Bettdecke auf das Feuer wirfst: Frieden?“, mein Angebot. „Meinetwegen.“. Hansen löschte den Brand ich hatte hatte endlich meine Ruhe!
Diesmal wirklich. Auch wenn das freundliche Abschieds-„Fick Dich!“ mich noch kurz zweifeln liess.

Kommentare

35 Antworten zu “Rosenkrieg – wie aus Dornen Speere werden.”

  1. Westpfalz-Johnny sagt:

    Was passierte anno ’79 mit dem an der Decke platzierten Zirkel? Tschuldigung, ich steh da gerade auf der Leitung…

  2. Tim sagt:

    Einfach nur herrlich. Genau, dass hab ich jetzt gebraucht! =D

  3. Pleitegeiger sagt:

    Großartig. Darf ich auf Sie zurückgreifen, wenn ich mich mal wieder an nem Kerl rächen will? Also sagen wir… sofort?? ;-)
    Allerdings ist mir diese Zeitungs-Hundekacke-Nummer neu. Kann mich bitte jemand aufklären? Braucht man ja immer mal wieder, solche Tricks…

  4. christoph kratistos sagt:

    @pleitegeier:
    Kacke in Tüte. feuer. Klingel. Aufmach. Panik. Austreten, mit Hausschuh/Socke/Barfuß. Kacke am Pedes.

  5. Robby sagt:

    Oh, übel. Aber unbeschreiblich grandios *lach* – da hat sich ja keine Seite zurückgehalten ^^

  6. der.grob sagt:

    ich weiß gar nicht, wen ich da als sieger küren würde. ich glaube aber sie, herr winkel. obwohl es im krieg ja eigentlich keine sieger gibt…

  7. Finja sagt:

    *hrhr* das mit dem anrufbeantworter des vaters gefällt mir sehr! werde ich mir merken – der nächste rosenkrieg kommt bestimmt!

  8. Olaf sagt:

    Lila ist wirklich eine hässliche Farbe!

  9. das ist aber jetzt bitte, bitte erfunden?! oder wirklich in der schublade „jugendsünden“ zu suchen….

  10. Erdge Schoss sagt:

    Und was, werter Herr Winkelsen,

    geschah mit dem Kaninchen?
    Das haben Sie sich doch hoffentlich wieder geben lassen!

    Herzlich
    Ihr Erdge Schoss

  11. Johanna sagt:

    Hm, obwohl meine (bis auf eine umrühmliche Ausnahme) Ex-Freunde alle samt von mir verlassen wurden, hat mir keiner der Herren eine deratige Schmierenkomödie geliefert. Heulen und Selbstmorddrohungen, ja, Rosenkrieg, nein. Schade eigentlich…
    Lila ist ürbringens die wirklich die häßlichste Farbe der Welt und Kaninchen sind auch einfach nur grauenvoll.

  12. Hui, Herr Winkelsen. Sie haben ja schon fiese Sachen gemacht! Aber das mit dem Schokopudding war feige. Das hätte ruhig echter Kot sein können. Wenn schon denn schon :-)

    Ihre Frau Ährenwort

  13. Mone sagt:

    Rosenkrieg? Verschwendete Energie… ;)

  14. Schokopudding, Herr W.? Na dann also doch die Weichei-Nummer!

  15. Scholli sagt:

    Hätten Sie ihr lieber beizeiten ein ChiliDeLuxe gekocht! Sowas entschädigt über Jahre hinaus, da sprech ich aus Erfahrung! Ein Rosenkrieg ist doch viel zu aufwendig und zudem zuviel der Ehre.

  16. chrisse sagt:

    herrlich beömmelt, nun kann ich gut gelaunt in die arbeit starten!

  17. Trennungen können auch richtig Spaß machen… wenn man sie richtig zelebriert.

  18. MC Winkel sagt:

    @Westpfalz-Johnny: Naja nun, er hing da. Über mir. Über meinem Kopf. Und nicht besonders fest…
    @Tim: Danke!
    @Pleitegeiger: Gerne, was kann ich tun? :)
    @christoph kratistos: Danke!
    @Robby: Also ich schon! Mit dem Pudding…
    @der.grob: Ja, werter Herr grob, da haben Sie wohl recht!
    @Finja: Ich glaube, wenn man da als Frau anruft, ist das gleich doppelt so glaubwürdig!
    @Olaf: Nicht wahr!?!
    @little-wombat: Leider, … nein. Es waren üble Zeiten!
    @Erdge Schoss: Das, werter Herr Schoss, möchte ich auch mal wissen. Es war weiß.
    @Johanna: Selbstmorddrohungen? Wie lächerlich! :)
    @Frau Ährenwort: Gut, dann nehme ich beim nächsten Mal halt wieder richtigen Kot…
    @Mone: Macht doch aber so viel Spaß! :)
    @Lenny_und_Karl: Sie sagen es…
    @Scholli: … und satt wird man auch nicht!
    @chrisse: Danke!
    @Man in Metropolis: Sollten aber auch nicht zur Gewohnheit werden…

  19. Bateman sagt:

    MC, bei all den „wirklich erlebten Geschichten“ müsstest Du eigentlich schon 60 Jahre alt sein ;)

  20. MC Winkel sagt:

    @Bateman: Wenn Du wüsstest… da gibt es immer noch sooo viel Unerzähltes. Bin ja irgendwie auch immer noch unterwegs. Endziel: Celebrity Rehab.

  21. Kiki sagt:

    Mit frisch gemangelten und frisch zugeschissenem Oberhemd in der Firma? Ts, ts.

  22. oasenhoheit sagt:

    @little-wombat:
    ich nehme mal an er war einfach jung und brauchte das geld. *g*
    @MC Winkel:
    wie lange hats denn gedauert, bis die feigwarzen komplett auskuriert waren? ich hoffe es sind keine bleibenden schäden übrig…

  23. Sonja sagt:

    Sehr schön mal wieder :)

    Die Frage drängt sich mir auf:
    Hatten Sie auch schon einmal eine „normale“ (ja gut, was ist normal, aber sie wissen schon…) Beziehung?

    Oke, wär´ blöd weil viel zu langweilig ;)

  24. du lieber himmel, was lernen wir daraus? niemals ne beziehung mit winkel anfangen, noch schlimmer: nieeeee eine beenden, lieber beenden lassen! LOL

  25. mac sagt:

    MC Winkel steht für den neuen deutschen Gonzo-Journalismus! Da kann sich Hunter posthum mal warm anziehen…

  26. burnster sagt:

    Oder sich so lange im Grab umdrehen, bis ihm von alleine warm wird.

  27. Bateman sagt:

    @MC Winkel: CR, großer Sport und sonntags Pflichtprogramm ;)

  28. heisst die dame im fitnessstudio wirklich „francoise“? très jolie ;)

  29. danimateur sagt:

    wie sieht es denn heute aus? gab es noch den abschieds…. oder ist der kontakt durchgenagt wie vom kanninchen gewünscht.

  30. Fick dich. Grand Stoddard läßt grüßen!

  31. Herr Schmidt sagt:

    Aber die Bewerbung als Glücksrad-Buchstaben-Umdreherin hat sie ganz alleine abgeschickt, werter Herr Winkelsen, oder hatten Sie da auch Ihre Finger im Spiel?

  32. Ole sagt:

    Memo an mich selbst: Schokopudding-Notfallreserven dringend wieder auffüllen!

  33. FrauvonWelt sagt:

    Ich ziehe mich jetzt ganz lila an, in memoria di Maren.

  34. schaezle sagt:

    Quasi-Beziehung, wieder eine neue Vokabel gelernt.

  35. zoee sagt:

    ihrer letzten aufforderung bist du aber doch nicht nachgekommen??

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