Von 1883 bis heute – so führt Thorens die Vinyl-Legende in die Zukunft

Thorens Vinyl Legende

Es gibt nur wenige Marken, die über ein Jahrhundert hinweg ihren Charakter behalten und trotzdem mit der Zeit gehen. Thorens gehört ohne Zweifel dazu. Seit 1883 steht der Name für feinmechanische Präzision, klangliche Leidenschaft und eine unerschütterliche Liebe zum Analogen. Wer sich tiefer mit der Geschichte beschäftigt, weiß: diese Marke hat schon alles gesehen – Triumphe, Krisen, fast den Untergang – und ist heute stärker denn je.

In meinem letzten Beitrag über den Thorens TD 402 DD habe ich beschrieben, wie es sich anfühlt, wenn Tradition plötzlich wieder im eigenen Wohnzimmer aufblüht – Walnuss, Carbon, Direktantrieb, pure Eleganz. Das aktuelle Video „Thorens – Langjährige Tradition trifft auf moderne Produktion“ zeigt nun, was hinter diesem Revival steckt: ein kleiner, hochmotivierter Kreis um Geschäftsführer Gunter Kürten, der die Marke seit 2018 aus dem Dornröschenschlaf geholt hat und sie heute mit beeindruckender Energie führt.

Neustart mit Geschichte

Kürten, ehemals Geschäftsführer bei ELAC, übernahm Thorens, als es kaum mehr als einen Markennamen und jede Menge Legenden gab. „Es gab keine Fabrik mehr, keine Strukturen – wir mussten bei null anfangen“, erzählt er im Interview. Doch anstatt nur nostalgisch im Rückspiegel zu blicken, suchte er nach der Essenz dessen, was Thorens groß gemacht hatte: Subchassis-Konstruktionen, Riemenantrieb, klassisches Design, ehrliche Materialien.

Sein Motto: „Zurück zu den Wurzeln, aber mit modernen Mitteln.“ Gemeinsam mit Designer Helmut Thiele, einem Urgestein des deutschen Industriedesigns, entstand ab 2018 ein völlig neues Portfolio. Die 1600er Serie knüpfte bewusst an die legendären TD-160 Modelle an, während die 1500er und 400er Reihen den Spagat zwischen Retro-Anmutung und zeitgemäßer Technik wagten.

Analoge Seele, globale Struktur

Thorens fertigt heute mit einem Netzwerk aus Entwicklern, Partnern und Spezialisten – das Herz sitzt in Bergisch Gladbach, die Produktion in Taiwan. Dort entstehen die Geräte in Kooperation mit feinmechanischen Spitzenbetrieben, die auch Komponenten für die Fahrrad- oder Halbleiterindustrie herstellen. Klingt nach Fernost-Outsourcing, ist aber tatsächlich ein Paradebeispiel für europäische Entwicklungsleitung mit asiatischer Präzision.

Kürten reist regelmäßig selbst in die Werke, steht buchstäblich am Band, justiert Subchassis, erklärt Tonarmlager und überprüft Serienstarts. Kontrolle ist für ihn keine Distanz, sondern Nähe: „Es geht nicht darum, zu beaufsichtigen, sondern darum, dass die Leute verstehen, warum wir so arbeiten.“ Dieses Zusammenspiel aus Vertrauen, technischem Know-how und echter Handarbeit spürt man in jedem Modell.

Das Netzwerk als Erfolgsmodell

Im Video wird klar, wie schlank die Struktur ist: Sechs Personen arbeiten fest im Thorens-Kernteam, der Rest besteht aus freien Entwicklern, Designern, Service-Partnern und Logistik-Experten. Alles greift ineinander wie ein Uhrwerk – passend für eine Marke, die aus der Schweiz stammt. Die alte Thorens-Fabrik in Lahr existiert nicht mehr, aber der Geist lebt weiter.

Ein schönes Detail: Für den Service älterer Modelle, die noch aus den 1970ern und 1980ern stammen, gibt es einen Partnerbetrieb in Stephanskirchen bei Rosenheim. Dort werden die Klassiker wie TD 160 oder TD 126 mit Originalteilen restauriert – ein Beweis, dass Nachhaltigkeit im HiFi-Bereich auch heißen kann, etwas 40 Jahre Altes wieder zum Leben zu erwecken.

Zwischen Reference und Coturn – Zukunft in zwei Richtungen

Während der neue „Reference“ als technologisches Aushängeschild gilt – entwickelt in Kooperation mit Seismion, deren aktive Dämpfung eigentlich aus der Medizintechnik stammt – zeigt sich in der jungen Marke Coturn by Thorens, wohin die Reise gleichzeitig geht. Coturn steht für „Compact Turntable“, ein tragbarer, stylischer Plattenspieler, der sich an eine neue Generation richtet – die Spotify-Generation, die Vinyl nicht als Nostalgie, sondern als Erlebnis begreift.

Kürten erkannte früh, dass Vinyl längst kein exklusives Retro-Hobby mehr ist. Der Boom der letzten zehn Jahre wird vor allem von jungen Menschen getragen, die Musik wieder anfassen wollen. Mit Coturn öffnet sich Thorens diesem Publikum, ohne seine Wurzeln zu verleugnen. So entsteht ein faszinierendes Spannungsfeld zwischen High-End-Tradition und Lifestyle-Design – zwischen Reference und Coturn, zwischen Werkbank und Social Media.

Thorens Vinyl-Legende: Handwerk, das nach vorne schaut

Designer Helmut Thiele, der bereits in den 1970ern seine Diplomarbeit über Plattenspieler schrieb, verkörpert diesen Brückenschlag perfekt. Er entwickelt in Duisburg, modelliert jedes Teil am 3D-CAD, fräst Prototypen selbst und hört – bevor ein Modell in Produktion geht – stundenlang Probe. „Ich muss sehen, hören und fühlen, ob alles stimmt“, sagt Thiele. Und das merkt man den Geräten an: Sie klingen nicht nur präzise, sie sehen auch danach aus.

Seine Zusammenarbeit mit Kürten wirkt fast filmisch – zwei Generationen, dieselbe Mission. Ihre Kommunikation läuft zwischen Bergisch Gladbach, Duisburg und Taiwan in wöchentlichen Calls, dazu regelmäßige Reisen in die Produktion. Ergebnis: ein Katalog, der innerhalb von acht Jahren komplett neu entstanden ist – von Einsteigermodellen um 500 Euro bis zu Spitzenklasse-Geräten, die in die Weltelite gehören.

Fazit – Tradition lebt, wenn sie sich verändert

Thorens beweist, dass echte Tradition nichts mit Stillstand zu tun hat. Im Gegenteil: Wer 140 Jahre überlebt, hat gelernt, sich immer wieder neu zu erfinden. Das Unternehmen verbindet heute Schweizer Herkunft, deutsches Engineering und internationale Produktion zu einer Philosophie, die genau den Nerv unserer Zeit trifft – Authentizität, Qualität und Langlebigkeit.

Von 1883 bis heute – so führt Thorens die Vinyl-Legende in die Zukunft

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