Toys for Sounds: Sex im Musikvideo – von Madonna bis Kim Petras

Sex sells: Das wusste schon Madonna in den 80ern. Aber was hat sich seither eigentlich getan? Zwischen schwarzem Spitzen-BH, Latexanzug und Cyber-Porno-Ästhetik hat sich das Musikvideo zu einem wahren Spielplatz für sexuelle Selbstdarstellung entwickelt. Von Provokation über politische Statements bis zu queerem Empowerment: Sex im Musikvideo ist heute mehr als bloße Reizüberflutung –zusammen sind sie Stilmittel, Kampfansage und Kunstform in einem.

Madonna: Queen of Control

Wenn man über Sex im Musikvideo spricht, kommt man an Madonna nicht vorbei. Ihre Clips waren nie nur Musikvideos – sie waren kulturelle Events. Ob „Like a Prayer“ oder „Justify My Love“: Madonna setzte Sexualität als Waffe gegen Bigotterie, prüde Moral und einengende Rollenbilder ein. Ihre Videos waren schwarz-weiß, religiös aufgeladen, queer, fetischisiert – und vor allem: immer unter ihrer Kontrolle. Der Körper als Bühne, der Blick als Spiel, die Queen als Regisseurin ihrer eigenen Inszenierung. Apropos Kontrolle: Ein Womanizer ist ein perfektes Toy, um den Sound von Madonna einmal von einer ganz neuen Seite zu erleben …

2000er: Von Lolita bis Leather

In den Nullerjahren wurde es poppiger – und ambivalenter. Britney Spears tanzte im Schulmädchen-Look, Christina Aguilera riss sich in „Dirrty“ endgültig das Unschuldskostüm vom Leib. Es war das Zeitalter der hypersexualisierten Popstars, oft vermarktet von männlich dominierten Strukturen. Doch gleichzeitig war da ein Moment der Aneignung: Die Künstlerinnen begannen, sich den Sex-Appeal zurückzuholen – auch wenn es oft ein schmaler Grat zwischen Empowerment und Male Gaze blieb. Gleichwohl gelang es immer mehr Künstlerinnen, eben diesen Grat zur eigenen Bühne auszubauen. Beyoncé war in dieser Hinsicht eine Vorreiterin – und ist genau deswegen ein nach wie vor gefeierter Megastar.

Parallel bahnte sich mit dem Fleshlight eine weitere Revolution an: Ein dem Intimbereich von Pornostars nachempfundener Masturbator ließ sogar hart gesottene Sextoy-Verweigerer noch einmal umdenken. Wäre zu dieser Zeit ein Beyoncé-Modell auf den Markt gekommen, hätte dies einen gleich noch viel größeren Run ausgelöst.

Lady Gaga, FKA Twigs & die Performance der Lust

Ab den 2010ern wurde es konzeptueller. Lady Gaga mischte in Videos wie „Bad Romance“ und „Paparazzi“ Erotik mit Surrealismus, Horror und High Fashion. Ihre Sexualität war eine Performance – überzeichnet, fragmentiert, ungreifbar. FKA Twigs wiederum machte in „Two Weeks“ und „Cellophane“ Lust zu einem fast sakralen Erlebnis: ästhetisch, melancholisch, hyperintim. Solange Knowles und Grimes erweiterten diese Palette um weitere Facetten des konzeptuellen Eros. Hier ging es nicht mehr nur um Provokation, sondern um Tiefe – Sex als Kunst, als Körperarchitektur, als Vision posthumaner Intimität.

Einige Frauen vertauschten dabei nicht nur den Blickwinkel, sondern das komplette Rollenbild. Peaches ist die wohl bekannteste Sängerin, die auch on Stage gerne mit Umschnalldildo performt. Eine Gemeinsamkeit der genannten Stars dieser Dekade? Sie alle machten (und machen) ihr eigenes Ding, ohne Scheuklappen und althergebrachte Tabus.

Die Gegenwart? Nicht nur Kim Petras ist die Stilikone einer neuen Zeit

Heute definieren Stars wie Kim Petras den Diskurs noch einmal von ganz neuer Seite. Als erste Transfrau mit einem Grammy setzt sie mit Songs wie „Slut Pop“ neue Maßstäbe für sexualisierte Selbstinszenierung im Pop. Ihre Videos sind knallig, überdreht und voll queerer Referenzen – irgendwo zwischen Y2K-Barbiecore und Pornhub-Parodie. Aber sie steht nicht allein: Lil Nas X provoziert mit biblischen Referenzen und Pole-Dancing, Chappell Roan zelebriert Drag-Ästhetik im Mainstream-Pop, Troye Sivan macht queere Intimität zur Kunst. Und auch Doja Cat und Megan Thee Stallion spielen bewusst mit weiblicher Dominanz und sexueller Autonomie.

Fazit? Sex im Musikvideo war nie nur sexy – es war immer politisch. Heute mehr denn je. Von Madonna bis Kim Petras hat sich grundlegend etwas verändert: von der Provokation zum Statement, vom Skandal zur Strategie, von der Objektifizierung zur Selbstinszenierung. Die neue Generation nutzt Sexualität nicht mehr als Schockmoment, sondern als Instrument der Identitätspolitik. „Toys for Sounds“ eben – ein Spielplatz für Körper, Klang und Kontrolle, auf dem queere Künstler*innen die Regeln neu schreiben. Und der nächste Clip wird diese Entwicklung weiter fortschreiben.

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