Meine bizarrsten Termine – heute: „Blut, Brust und Babykotze“
Wenn ich an die bizarrsten Außentermine aus meiner Vergangenheit als Vertriebler zurückdenke, habe ich ein ganz klares Top3-Ranking. Als Erstes fällt mir ein Termin aus dem Juni 2002 ein, bei einem kleineren Handwerksbetrieb am Stadtrand. Der Chef und Firmeninhaber rief am Donnerstag vor der Kieler Woche an, mir wurde ein Termin für den folgenden Montag vereinbart. Vielleicht kennt Ihr das: wenn man 3 Tage am Stück kräftigst feiert, dann reicht ein Sonntag zum Ausnüchtern nicht. Dann hat man auch am Montag noch so ein kleines bißchen Restschnaps im Blut, die Marmel funktioniert noch nicht wieder richtig, man nimmt die Welt mehr so aus einer Meta-Ebene wahr. Und dann kam Riemann.
Ich war gerade dabei, einen neuen Kollegen einzuarbeiten. Er hatte aber Alles, was ein guter Vertriebler im Geschäftskundensegment brauchte: eine Grundcharmanz (Absicht), ein lockeres Mundwerk, eine überdurchschnittliche Scheißegal-Einstellung Neutralität und ein Kunstledermäppchen. Ich nannte ihn CJ („Ceejay“) und erklärte ihm zunächst, dass er auf gar keinen Fall mit unserer Innendienstlerin rumbämsen dürfe. Ich wüsste da, wovon ich redete und neben den innerbetrieblichen Differenzen war ich immer noch der Meinung, sie hätte etwas mit meinem vorkielerwöcheligen Harnwegsinfekt zu tun. „CJ, pack‘ dein Mäppchen, wir fahren zur Tischlerei Riemann. Termin bei der Frau vom Chef, leg‘ nochmal Eau de Toilette nach!“. Auch ein Tip aus meiner rückblickend wohl peinlichsten Zeit des Lebens. In meiner Jugend trug ich zur blauen Hornbrille die komplette Miami Vice-Wear und schmierte mich mit Selbstbräuner ein. Das war aber nichts im Gegensatz zu dem aufgesetzen Business-Kasper-Gehabe aus 2002. Täglich Hemd und Kragen, gelverschmiertes Haupthaar und eine täglich gestutzte Gesivo – meine Selbstachtung muss gerade Malle-Urlaub gemacht haben. Ich kann froh sein, dass man mich damals nicht lebendig begrub oder anzündete – ich hätte es verdient.
„Frau Riemann, Ihr Büro…?“, „Aaach, ein Büro haben wir nicht. Ich mach meinem Mann die Termine von hier aus und den Papierkram regelt der Steuerberater!“. Ich guckte CJ an, wie Crockett immer Tubbs anguckte, wenn er Feuer brauchte. „Setzen sie sich!“. Muddern Riemann muss so knapp 40 gewesen sein, hatte eine zweijährige Tochter, die immer um den Tisch rannte und Reisel rief. Außerdem ein Neugeborenes, was auf dem Wickeltisch lag und schlief. Sie versuchte, die „Reisel“-rufende Tochter zu beruhigen, was nur gelang, wenn sie ihr den Brummkreisel aushändigte, welchen die Tochter aber nicht ohne Aufsicht bedienen sollte, was an dem rostigen Bedienhebel gelegen haben konnte. „Reisel!“. „Nein, jetzt nicht! Und was kosten Ferngespräche nach Bochum, Herr Winkelsen.“. „9 Cent, rund um die“, „REISEL!„, sie gab nicht auf. „Frau Riemann, so geben sie ihrer Tochter doch den Brummkreisel. Dann können wir in Ruhe die Verträge machen!“, „Na gut.“.
Keine 2 Minuten später: Blut. Und Gekreische. Die Tochter war abgerutscht und rammte sich den Bedienhebel in den Arm, auch nach 5 Minuten wurde das Schreien nicht leiser. Nun fing auch das Neugeborene an zu schreien, was Muddern Riemann als Hunger deutete. Kaum war die ältere Tochter einigermaßen ruhiggestellt, riss sie sich den Pulli hoch und fing das Säugen an. Es ist jetzt nicht so, dass ich ein grundsätzliches Problem mit MILFereien hätte – aber das hier hatte mit Ästhetik nicht mehr viel zu tun. Ich wies CJ an, den Deal hier zu beenden. „Unten rechts! Sie soll 2x unterschreiben, dann kommst Du zum Auto!“. Ich musste hier raus. Meine Kieler Woche-Marmel konnte diese Situation nicht mehr händeln, aber Frau Riemann wollte mich nicht gehen lassen. „So bleiben sie, Herr Winkelsen! Nur noch das Bäuerchen, dann geht’s hier weiter!“. Immerhin war der Pulli wieder unten. Sie stand auf, drehte uns den Rücken zu und klopfte dem Baby wippend auf den Rücken. „BRRÈLLP!“, so einen Schwall sah ich zuletzt ’82, als die Tous-Talsperre brach. Jetzt war endgültig Alles aus: Blut, Brüste in Form welker Auberginen und Babykotze, die den Weg vorbei an CJs Kunstledermäppchen nicht ganz schaffte. „Oh! Das, … das tut mir leid!“, Frau Riemann guckte mich an. Das Baby guckte mich an. Auch CJ war überfordert, „MC, was nun?“. „Ähm, … Reisel!“.
Für den Nachmittag meldete ich mich krank.
Hihi, zum Glück hat die Lütte als Baby nie kotzen müssen! Aber das Männer plötzlich was gegen Brüste haben wenn ein Baby dranhängt versteh ich nicht…
Na, wenn die Brüste wohl wie Auberginen geformt sind, dann kann ich das schon verstehen. Aber diese Abneigung gegen Blut, die verstehe ich nicht :o
geht nichts über nen schwall babykotze nach nem durchzechten tag ;)
Reisel!
Ja, Montage haben es in sich ;-)
Wäre ich dieser CJ gewesen, du hättest mich ziemlich angeödet. Alleine der Spitzname und dann dieses „ich hatte sie alle“ Gedöns. Kannst nur hoffen, dass der Typ heute keinen Blog hat.
Die Grundcharmanz is schon sehr wichtig!
Kunstledermäppchen und Ceejay genannt zu werden. Der den Du angelernt hast scheint es wahrlich nicht einfach gehabt zu haben. Babykotze riecht nicht gut. Ich trug während meiner Zivizeit eine Bomberjacke (weißt Du noch?:)). Diese war ebenfalls mit einem hartnäckig verbleibenden Fleck von Babykotze bedeckt, der auch nach mehrmaligen Waschen präsent blieb. Aber die Jacke hielt mich warm, daher trug ich sie weiterhin.
Das mit der Touls-Talsperre ist gut und das Wort „Reisel“ gefällt mir sehr. Werde es von nun ab desöfteren verwenden.
Mit einem 3-fachen „Reisel“ werde ich nun in den Tag starten.
„Nun ist es nicht so, dass ich ein grundsätzliches Problem mit MILFereien hätte…“
Wohl das coolste Wort bisher an diesem doch noch recht frühen Montagmorgen ;)
immer wieder unterhaltsam (:
Haha, der Vergleich mit der welken Aubergine ist weltklasse. Is notiert!
Immer wieder montags, wenn der Sonntag zum Ausnüchtern nicht ausreicht…
Diesmal ist der 28.6. der Montag nach der Kieler Woche. Ich würde sagen, den hältst Du Dir in Deinem Terminkalender erst mal frei, MC. Muss doch drin sein, wenn man sein eigener Chef ist! ;-)
Ein Bekannter von mir ist im Innendienst, betreut das Telefon. Und rate mal: auch der geht täglich im schnieken Anzug zur Arbeit. Der scheint 2002 stehengeblieben zu sein. ^^
… hm, wird langsam Zeit das erste Kind zu zeugen …
War das nun eine Huldigung ans Mannsein und nicht Kinder kriegen und Kotze wegputzen müssen?
Um Himmelswillen, werter Herr Winkelsen!
Haben Ihre weißen Slipper auch was abbekommen?
Die tollen mit den weißen Bommeln.
Herzlich
Ihr Erdge Schoss
OMG – ein Blick in die Zukunft von die_schottin!!!
Babykotze..pillepalle.
Die blaue Hornbrille ist der wahre Schock
@feronia: Naja, es war halt… die Form. Im Zusammenspiel mit der Konsistenz. :)
@krueps: Soo! Und naja, als Ex-Zivi kann ich antürlich kein Blut sehen! :)
@chrisse: … „nach einem kpl. durchzechten Kieler Woche-Wochenende“ trifft’s eher. :)
@FelixN: Reisel!
@mee: Reisel!
@Thomas: Mensch Thomsen. Jetzt hab‘ ich mich selbst schon so derbe niedergemacht und DU musst da unbedingt nich einen draufsetzen. Ich sag‘ doch: JA, ich war ziemlich lame. Reicht das jetzt? :)
@Toby: Reisel! :)
@MHW: Diese Bomberkutte, Dixon, das war gar nicht Deine, oder? Wenn ich mich nicht irre, hattest Du die von (Gott bewahre!) Rolf Pohle? Alter. :) Was hat der denn gesagt, als Du ihm die Kutte back gegeben hast? Der hat sich doch bestimmt tierisch aufgeregt, so ernst wie der Hygiene nahm! :)
@n1Ls: :) Reisel!
@Jens: :) … nur, … wofür? Bitte erzählen, wann Du es mal anwenden konntest…
@Perot: Has‘ recht, da werde ich nen offiziellen MC Winkel-Weltfeiertag festlegen! Ach, was rede ich: die ganze Kieler Woche ist MC Winkel-Feiertagswoche. :)
@tarek: Naja, was soll ich sagen. Irgendwann fängt man (meistens) automatisch damit an, sich selbst in so einer Montur nicht mehr ernstnehmen zu können… Drücke für Deinen Bekannten die Daumen! :)
@DerFrosch: Für Dich!?
@ChliiTierChnübler: Sort of! :)
@Erdge Schoss: Die waren schwarz, Herr Schoss. Na Sie sind mir aber ein aufmerksamer Leser! :)
@die_schottin: Sie meinen, Ihr Sohn kommt nach mir? :)
@JMK: Die war aber schon länger klar! (plus 3,5 Dioptrien, btw. – saweeet!)
Nee alda,
abends bei Kirschen-Kowalewski gewesen, morgens aufgewacht und die blaue Bomberjacke lag plötzlich neben mir. Habe ich wohl geschenkt bekommen.
in anbetracht dessen, hr. winks, dass sie ja nun in einem *räusper* gewissen alter sind, würde ich gerne wissen, ob sie die situation dieser allround-mutter heute anders sehen oder ich sie nun wirklich für ultra-spießig halten muss?
ach ja, der auberginen-spruch war göttlich!
Supergeiler Text ;) Wenn auch an der ein oder anderen Stelle etwas … wie soll ich sagen … gruselig?! ;)
Ich weiß nicht so recht, irgendwie hatte ich mir nach der Überschrift alles etwas mehr „X-Rated“ vorgestellt und weniger „Mütterlicher Alltag“. Aber die Geschichte zur Innendienstlerin hat mich aufhorchen lassen, gib die doch mal zum besten. Dann aber mit weniger Gemüse und dafür mehr Obst im Salat.
bin ja mal wieder spät dran, aber egal, wieder mal eine super Story, vielleicht stellenweise ein büschen eklig, Babykotze, bäh, aber richtig lustig!
Reisel for Live !!!
Beste Story ever !!!
Argh, da sucht man bei google nach blutigen Stories und findet den alltäglichen Wahnsinn :)
Lustiger Artikel dennoch und der Blog ist auch interessant, werd ich weiterverfolgen.
Gruß Kobler
bodybuilding-back…
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