Mein erstes Vorstellungsgespräch
Eigentlich mein Zweites. Bei meinem ersten bekam ich bereits im Bus auf der Hinfahrt verklemmte Blähungen. Der Volksmund formuliert sowas leicht frotzelnd als quersitzenden Furz und ich weiß nicht, ob Ihr dieses Martyrium kennt, falls nicht: tut wirklich scheiße weh, sowas. Ich bekam diese Klemmblähungen in jungen Jahren regelmäßig in Stresssituatuionen. Teilweise konnte ich gar nicht mehr gerade gehen, so quer lag mir der Furz zwischen Bauchspeicheldrüse und Milz. Aber wie dämlich klingt „Mein zweites Vorstellungsgespräch“ als Headline, allein aus dramaturgischen Gesichtspunkten? Daher bitte ich Euch: vergesst diese Einleitung und ignoriert diese miese Lüge, wenn es geht.
Es handelte sich um ein konservatives Familienunternehmen der Baubranche. Die Firma handelte mit Allem, was der Handwerker braucht – von der Katzenzungenkelle bis zum Turmdrehkran. Und weil ich keine bessere Idee hatte, hielt ich den „Groß- und Außenhandelskaufmann“ für einen adäquaten Lehrberuf, Blogs gab es ja Ende der 80er noch nicht. Was die Branche betraf, so hörte ich auf meinen Großvater, „Handwerk hat goldenen Boden, lil MC!“. Was er mir leider nicht verriet: das Handeln mit Handerwerksbedarf war maximal Linoleum. Und das hätte mir eigentlich schon das Vorstellungsgespräch mit dem Anfang-Siebzigjährigen Geschäftsführer und Gründersohn aufzeigen müssen.
Eingeschüchtert aber immerhin klemmblähungsfrei saß ich vor dem Autorität ausstrahlenden, lakonisch und analytisch wirkenden Chef. Ein Ehrenmann der alten Garde. Jemand, der seinen Ausbildungsauftrag noch sehr ernst nahm und die weltweit populären, typisch deutschen Tugenden repräsentierte. Die ersten fünf Minuten schaute er mich an. Vielmehr schaute er links an meiner Wange vorbei und guckte fragend. Ich war unsicher, vielleicht handelte es sich um ein in Vorstellungsgesprächen übliches Ritual und so tat ich es ihm nach. Er hob seinen rechte Arm, zeigte grob in Richtung meiner linken Gesichtshälfte und wollte mit wirr umherwedelnder Hand wissen „Was… warum ist das da?“. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte und signalisierte dies mit einem Schulterzucken. Langsam erhob sich der Mann aus seinem Ledersessel, verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und marschierte zur Fensterfront seines Büros. „Hier war gestern so ein Fensterputzer, der hatte sowas auch. Ich habe das Fenster geöffnet und gefragt, was das soll. Wozu er das hat. Er konnte es mir nicht sagen.“. Weiterhin ratlos bohrte ich nach, „Herr Siemsen, ich verstehe nicht?!“. „Na der Ring im Ohr. Wofür ist der?“. „Ach so, … naja, das hat man heute so.“. „Aha, ein Mitläufer?!“. „Nein, … also, schon. Naja, und die Mädchen finden das gut. Glaub ich.“, erklärte ich mit der Selbstsicherheit eines höhenängstlichen Drahtseilläufers. Siemsen setzte sich, notierte etwas in sein Notizheft und schaute mich erneut einige Minuten an. „Meinen sie, sie könnten auch ohne dieses Ding im Gesicht Mädchen kennenlernen?“. Mein Darm zog sich zusammen und bereitete die Produktion der nächsten Klemmblähungen vor. „Naja, die Mädchen nehmen bestimmt eher jemanden ohne Ohrring als einen Arbeitslosen.“. Siemsens rechter Mundwinkel bewegte sich 2,5mm nach oben, er machte erneut eine Notiz. „Winkelsen, seien sie am 1.8. um viertel nach Sieben hier.“.
Beim Rausgehen furzte ich noch im Empfangsbereich. Leise, geruchsneutral und irgendwie befreiend.



Hm, das mit dem Furz erklärt so ein paar Phänomene während unserer Autofahrt. Hätten Sie das doch nur schon vorher gebloggt, ich wäre gewarnt gewesen
lol. und wann kommt der 2te teil der geschichte? nice geschrieben!
Man wird nie sagen können, Sie seien ein batteriebetriebenes Furzkissen. Schade, auf eine Art.
der notizblock, ich komm nicht davon weg darüber nachzdenken was da steht. „Scheinbar emotional verwirrt“ und „DOch nicht mit der Enkelin verheiraten“
very nice blog!!! ;o) vor allem der Abschluss bescherte mir einen morgendlichen lachflash „Beim Rausgehen furzte ich noch im Empfangsbereich. Leise, geruchsneutral und irgendwie befreiend.“ GROßARTIG!!!
Ich kenn dieses „beklemmende“ Furz-Gefühl, allerdings eher beim Sport und da halt das mal zurück, wenn die mucki-bude voll ist und du fährst dabei grad noch die tour de franze, oder besser noch schön am bankdrücken!!! Ich sag nur, effektiveres Bauchmuskeltraining gibt’s nicht! =))
müsste es nicht heißen: „Naja, die Mädchen nehmen bestimmt eher jemanden MIT Ohrring als einen Arbeitslosen.” ?
Ich hatte übrigens bei meinem ersten Vorstellungsgespräch grüne És Koston II und einen Pullover mit der Aufschrift „Mongo Clikke“ an. Hat auch funktioniert. Nur ich habe dann abgelehnt.
Meteorismus nennt man das, was Sie da haben. Also nicht das im Gesicht, sondern das in den Gedärmen.
Nachdem ich nun weiß, dass Sie leise und geruchsneutral furzen können, liebster Mr. Winkel, sind sie endgültig mein Traummann (fast, denn ich habe ja schon einen…)!
Im übrigen hätte ich auch eine mit „Mein zweites Bewerbungsgespräch“ betitelte Geschichte gelesen.
Um Viertelnachsieben, werter Herr Winkelsen?
Herzlich
Ihr Erdge Schoss
ich hatte damals sogar zwei ohrringe. an meinem piephahn.
Und der Ring in der Nase? Durfte der drinn bleiben?
und hat das dann auch entsprechend mit den mädchen geklappt?
Sie wurden da schon Winkelsen gerufen. Respekt. Übrigens:
Das heisst Viertel Acht.
Herzlich, Danimateur
Sie hatten nicht Angst vor dem Gespräch, sondern Angst vor der Arbeit – und das zu Recht! Wie leicht gerät man heute in die Fänge der Arbeit, und das sogar mitunter in dem Glauben, man müsse sich über einen Job freuen?
Wie jetzt, werter Herr Winkel, Handwerk hat goldenen Boden? Aus Linoleum? Gibt`s das auch in Gold? Und überhaupt wo habe ich jetzt wieder meine Katzenzungenkelle hingelegt?
Herzlichst und Fragen über Fragen
Ihre DiVa
Mittlerweile die Darmwinde im Griff oder werden die Kerzen im Schlafzimmer vom Bett aus ausgepustet? ^^
Was Dir fehlt ist Gehänge! Ohrgehänge, dann klappts auch mit den Mädchen!
dann frage ich mich nur eines: wieso hatte der fensterputzer einen job? vitamin B? ohne flatulenzien? *lach*
I Like! :-)
Sehr schön. Einen fetten Lacher kann man sich in MCs Blog immer abholen. Danke dafür.
schön erzählt, was die Blähungen angeht, hättest wohl die geruchsneutralisierende Unterwäsche, die es nun online zu kaufen gibt, anziehen sollen!