ADHS & Fokus: Wie jeder Mensch seine Aufmerksamkeit verbessern kann – laut Dr. Andrew Huberman

ADHS Aufmerksamkeit verbessern

Die Fähigkeit, sich zu konzentrieren, ist ein zentrales Element für Erfolg und Zufriedenheit. In einer Welt voller Ablenkungen und Reizüberflutung leidet jedoch nicht nur die Leistungsfähigkeit – auch mentale Gesundheit steht auf dem Spiel. In seiner kompakten „Essentials“-Episode erklärt Neurobiologe Dr. Andrew Huberman die neurologischen Hintergründe von ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung) – und zeigt gleichzeitig konkrete Wege auf, wie wirklich jeder Mensch seine Aufmerksamkeit und Fokussierung verbessern kann.

Was ist Aufmerksamkeit – und warum fällt sie bei ADHS schwer?

Laut Huberman ist Aufmerksamkeit im Kern „selektive Wahrnehmung“: Unser Gehirn filtert ständig Sinneseindrücke, wobei nur ein Bruchteil bewusst registriert wird. Menschen mit ADHS haben Schwierigkeiten, diesen Filter aktiv zu steuern. Sie sind schnell abgelenkt, impulsiv und überfordert mit simplen Aufgaben – außer sie interessieren sich brennend dafür. Dann tritt oft das Phänomen des „Hyperfokus“ ein. Diese scheinbare Widersprüchlichkeit macht ADHS (wiki) schwer greifbar: Die Fähigkeit zur Konzentration ist da – nur nicht zuverlässig abrufbar.

Ein weiteres Problem ist die Zeitwahrnehmung. Viele Betroffene unterschätzen, wie lange Aufgaben dauern, geraten ständig in Verzug oder prokrastinieren. Hinzu kommt eine beeinträchtigte Arbeitsgedächtnisfunktion: Informationen, die nur für Sekunden im Kopf gehalten werden müssen (z.?B. Telefonnummern), verschwinden oft sofort wieder.

ADHS, Aufmerksamkeit verbessern – Die Rolle von Dopamin und neuronalen Netzwerken

Im Zentrum von Hubermans Erklärung steht Dopamin – ein Neurotransmitter, der stark mit Motivation, Lernen und Fokus verknüpft ist. Bei ADHS ist die sogenannte „Dopamin-Hypothese“ weit verbreitet: Ein chronischer Mangel führt dazu, dass das Gehirn Aufgaben nicht richtig priorisiert und störende Reize nicht effektiv ausblendet.

Wissenschaftlich lässt sich das über zwei Netzwerke im Gehirn erklären: Das „Default Mode Network“ (DMN), das in Ruhe aktiv ist, und das „Task Network“, das bei gezieltem Arbeiten übernimmt. Normalerweise wechseln diese Systeme rhythmisch. Bei ADHS jedoch laufen sie oft gleichzeitig. Der Taktgeber – Dopamin – ist aus dem Gleichgewicht. Das Ergebnis: Chaos im Kopf statt klarer Zielorientierung.

Medikamente: Ritalin, Adderall & Modafinil

Die gängigen ADHS-Medikamente wie Ritalin, Adderall oder Modafinil sind Stimulanzien, die gezielt Dopamin (und Noradrenalin) erhöhen. Chemisch ähneln sie in ihrer Wirkung sogar Substanzen wie Amphetamin oder Kokain – allerdings in niedriger, kontrollierter Dosierung. Die Wirkung kann enorm positiv sein, insbesondere wenn sie frühzeitig eingesetzt werden: Kinder lernen durch die Medikamente, was es heißt, fokussiert zu sein – und prägen diese Erfahrung nachhaltig ins Gehirn ein.

Dennoch warnt Huberman: Diese Medikamente sind nicht ohne Nebenwirkungen. Sie können süchtig machen, Herz-Kreislauf-Probleme verursachen und sexuelle Dysfunktionen auslösen. Deshalb empfiehlt er, sie – falls möglich – mit verhaltenstherapeutischen Methoden zu kombinieren und langfristig wieder auszuschleichen.

Training statt Pillen: Fokus lässt sich lernen

Neben Medikamenten stellt Huberman einfache, aber effektive Trainingsmethoden vor, mit denen sich Fokus dauerhaft verbessern lässt. Ein zentrales Konzept ist das sogenannte „Attentional Blink“ – ein kurzer Moment der Unaufmerksamkeit nach einer erfolgreichen Wahrnehmung. Wer also gerade „Waldo“ gefunden hat, übersieht oft direkt daneben das nächste wichtige Detail. Menschen mit ADHS erleben solche Fokuslücken häufiger.

Ein Gegenmittel ist das Training der „Panoramischen Sicht“. Dabei weitet man den Blick bewusst – etwa in die Ferne oder in die Umgebung – statt sich auf ein kleines Objekt zu fixieren. Das verbessert nicht nur die Aufmerksamkeitsspanne, sondern auch die Zeitwahrnehmung. Ergänzt wird diese Technik durch kontrolliertes Blinzeln: Denn auch Blinzeln steht in direkter Verbindung mit der Dopamin-Aktivität und beeinflusst, wie wir Zeit und Informationen wahrnehmen.

Nahrungsergänzung und Lifestyle-Tweaks

Neben Medikamenten nennt Huberman auch nicht-verschreibungspflichtige Möglichkeiten zur Steigerung des Fokus. Besonders wirksam: Omega-3-Fettsäuren – insbesondere DHA ab 300 mg/Tag – verbessern nachweislich die Aufmerksamkeit. Auch Phosphatidylserin (200 mg/Tag über 2 Monate) zeigte bei Kindern mit ADHS positive Effekte – verstärkt durch gleichzeitige Einnahme von Omega-3.

Weitere erwähnte Stoffe:

  • Alpha-GPC (300–600 mg) erhöht den Acetylcholin-Spiegel und verbessert die kognitive Leistung.
  • L-Tyrosin als Vorstufe von Dopamin kann helfen, ist jedoch mit Vorsicht zu genießen – insbesondere bei psychischen Vorerkrankungen.

Smartphone-ADHS: Die stille Gefahr im Alltag

Ein zentrales Fazit Hubermans betrifft unser aller Alltag: Wer täglich stundenlang auf dem Smartphone scrollt, trainiert sein Gehirn auf ständige Kontextwechsel. Die Fähigkeit, sich über längere Zeit auf eine Sache zu konzentrieren, verkümmert. Hubermans Tipp: Erwachsene sollten ihre tägliche Smartphone-Zeit auf unter 2 Stunden beschränken, Jugendliche auf unter 60 Minuten. Das allein könne die Aufmerksamkeitsfähigkeit dramatisch verbessern – mit oder ohne ADHS.

Fazit: Fokus ist trainierbar

Ob mit ADHS-Diagnose oder nicht: Die Fähigkeit zur Fokussierung lässt sich durch bewusste Übungen, gezielte Nahrungsergänzung und klugen Medienkonsum deutlich verbessern. Medikamente können dabei helfen – sind aber nicht der einzige Weg. Entscheidend ist die Erkenntnis: Fokus ist keine feste Eigenschaft, sondern ein dynamischer Zustand, der formbar ist. Und das ist wohl die beste Nachricht für uns alle.

ADHS & Fokus: Wie jeder Mensch seine Aufmerksamkeit verbessern kann – laut Dr. Andrew Huberman

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