Mobb Deep – „Infinite“: Ein letztes Kapitel aus dem Schatten von Queensbridge
Sieben Jahre nach Prodigys Tod kehrt Mobb Deep mit Infinite zurück – einem posthumen Album, das mehr ist als nur Nostalgie. Havoc, der überlebende Teil des legendären Duos, hat mit Hilfe von The Alchemist ein Werk geschaffen, das die alte Chemie der beiden erstaunlich authentisch wiederbelebt. Schon in den ersten Takten spürt man, dass Prodigys Stimme und Präsenz kein bloßes Sample aus der Vergangenheit sind, sondern ein lebendiger Bestandteil dieses Projekts.
Die Songs wirken wie verlorene Aufnahmen aus den späten 2000ern, fein säuberlich zusammengesetzt und respektvoll neu arrangiert. Das Album ist Teil der Legend Has It-Serie von Mass Appeal und gleichzeitig ein emotionaler Schlusspunkt einer Ära, die mit The Infamous und Hell on Earth Hip-Hop-Geschichte schrieb.
Schmerz, Stolz und die Chronik des Überlebens
Prodigy sprach stets mit der Unerschütterlichkeit eines Mannes, der den Tod als ständigen Begleiter kannte. Seine Worte „I ain’t scared of death“ hallen auf Infinite wie ein Mantra nach. Auf „My Era“ rappt er trocken: „RIP, you can’t son me / My pop’s dead“ – ein Satz, der gleichermaßen Tragik und Trotz in sich trägt. Die Produzenten haben seine Vocals mit spürbarer Sorgfalt behandelt, jedes Wort sitzt, jedes Echo wirkt gewollt.
Havoc, selbst Produzent von elf der fünfzehn Songs, lässt seine Beats wieder nach rostigem Stahl und Straßenlaternen klingen. Alchemist steuert die restlichen vier Produktionen bei – düster, erdig, kompromisslos. Gemeinsam schaffen sie es, den Geist der 90er-Jahre einzufangen, ohne in Retro-Romantik zu verfallen.
Zwischen Klassik und Gegenwart
Songs wie „The M. The O. The B. The B.“ oder „Mr. Magik“ erinnern an den wütenden Hunger früherer Tage, während „Easy Bruh“ mit sirrenden Drums und Prodigys bissigsten Punchlines glänzt. „Taj Mahal“ trägt den Namen eines ehemaligen Trump-Casinos und klingt, als sei er direkt aus den Sessions zu Murda Muzik übriggeblieben.
Gäste wie Big Noyd, Ghostface Killah und Raekwon sorgen für vertraute Energie und knüpfen nahtlos an den ikonischen Mobb-Deep-Sound an. Nas liefert auf „Look at Me“ eine souveräne, routinierte Performance, die das nostalgische Gesamtbild abrundet. Besonders hervorzuheben ist „Down For You“, das mit seiner Mischung aus Härte und Gefühl neue Facetten des Duos zeigt. Die spätere Version mit H.E.R. fügt dem Track zudem eine edle, moderne Note hinzu, ohne die emotionale Tiefe des Originals zu verlieren.
Der Klang des Vermächtnisses
Was Infinite von anderen posthumen Projekten unterscheidet, ist seine Würde. Hier wurde nichts zusammengeschustert, kein Stimmenklon, keine KI. Stattdessen spürt man in jedem Takt die Loyalität zwischen zwei Brüdern, die den Asphalt von Queensbridge in DNA verwandelten. Havoc nutzt keine modischen Trap-Hi-Hats oder EDM-Flächen, sondern bleibt seiner Linie treu: minimalistisch, düster, ehrlich.
Zwar erreicht kein Song die Größe von Shook Ones Pt. II oder Survival of the Fittest, doch Infinite ist keine Erinnerung an vergangene Zeiten – es ist ihr würdevoller Nachhall. Wenn Prodigy auf „Pour The Henny“ von „staring up at the cosmos“ spricht, fühlt es sich an, als säße er noch immer neben Havoc im Studio, Zigarette im Mundwinkel, Kopf nickend im Halbdunkel.
Fazit | tl;dr
Infinite ist kein Comeback, sondern ein Abschied. Einer, der so klingt, wie Mobb Deep klingen sollten: roh, reflektiert, melancholisch und kompromisslos echt. Es ist das letzte Aufleuchten zweier Seelen, die für immer miteinander verbunden bleiben – durch Beton, Beats und Brüderlichkeit.