Cis Dur

Ich habe mir vor ein paar Wochen fest vorgenommen, ein besserer Mensch zu werden. Also, besser im Sinne von erträglicher für mein Umfeld, weil, so schlecht finde ich mich ja nun auch nicht. Ich zahle meine Steuern, töte keine Menschen und werde am 22. September wählen gehen, mehr wird von mir ja hier nicht erwartet. Aber seitdem ich selbstständig bin (am 01.10. sind es übrigens 4 Jahre, da werde ich dann nochmal ausführlich auf das gesamte Ding zu sprechen kommen) habe ich mich verändert. Der Volksmund, Karriere-orientiere Menschen und sonstige, konventionelle Arschlöcher würden sagen zum Positiven, ich selbst weiß das aber noch nicht genau.

Opfer der Umstände

Zwei Umstände, die maßgeblich an einer leichten Veränderung meiner Persönlichkeit beteiligt waren: 1. ich trinke so wenig wie nie. Die Brände, die ich mir in diesem Jahr zufügte, kann man an einer Hand abzählen. Vor 10 Jahren hatte ich Stand Anfang September ganz sicher so um die 50 Brände, jedes Wochenende war man 1x feiern, alle 2 Wochen doppelt. Und diese neue Energie führt dazu, dass ich plötzlich (Punkt 2.) disziplinierter, zielorientierter, strategischer und leider auch ein Stück verbissener geworden bin. Ich pimmel’ jetzt nicht mehr so lange an Dingen herum, die mich irgendwie nicht weiterbringen. Ich versuche, jede Art von Termin so effizient wie möglich zu gestalten, habe klare Zeitvorstellungen und drei Hände voll Ausreden, sollten diese massiv überzogen werden. Jetzt könnte man sagen: ah, guck mal, er wird doch noch erwachsen. Was natürlich nicht stimmt, erwachsen werden zu wollen sollte von Jedem das höchstvermeidbarste Bestreben der Welt sein, vernünftig geht vielleicht als Adjektiv gerade noch so klar. Wobei vernünftig auch immer gleich spießig und unsympathisch bedeutet, und das wollte ich doch auch nie werden.

Being Dislikable

Der unsympathischste Move kam mir letzte Woche unter, ich war mit dem Auto unterwegs und hatte es mal wieder extrem eilig. Eigentlich gar nicht wirklich, am Ende des Tages ergibt die Summe der verlorenen Minuten, verursacht durch beschissen fahrende Verkehrsteilnehmer, vielleicht fünf. Und die könnte ich morgens zum Beispiel mal früher aufstehen. Ist halt auch so eine Sache, bei aller Disziplin komme ich morgens mit meinem Arsch nicht vor 9:30h aus dem (Wasser-)Bett. Allein Wasserbett, 2013 und der Typ hat immer noch dieses 80er Jahre Wannabe-Dandy Bumms-Chance-Erhöhungstool, wie peinlich. Aber es schläft sich nirgendwo besser als auf einem 80% beruhigten Wasserkern, probiert’s halt aus. Morgens ohne Wecker den Tag beginnen aber rumhupen, wenn’s an der Ampel nicht binnen einer halben Sekunden losgeht. So geschehen, was der Typ vor mir zum Anlass nahm, über eine Distanz von einem Kilometer extra-langsam zu fahren. Natürlich hatte ich keine Chance, den zu überholen. Der Typ wollte mich provozieren und wenigstens das klappt bei mir noch, es staute sich mehr Blut in meinem Kopf als in 8 Staffeln Dexter, mir wurde schwarz vor Augen und ich hörte ein sehr lautes, konstantes Cis auf einer Dur-Tonleiter, alles sehr schlechte Vorzeichen für den Oberstudienrat im A8 vor mir. An der nächsten Ampel hielt ich dann auf der Abbieger-Spur rechts von ihm auf gleicher Höhe an. Ich stieg aus, ging zu meinem Kofferraum und holte diesen Baseballschläger heraus. Ich ging zu seinem rechten Außenspiegel, nahm Maß, holte aus und schlug mit voller Wucht … daneben. Absichtlich. Danach guckte ich dem Mann durchs Beifahrerfenster ins Gesicht und lachte irre, so ungefähr. Der Typ lachte in dem Moment zwar mit, aber wenn der Stift da nicht wenigstens lugte, dann weiß ich auch nicht.

Wie ich eingangs erwähnte, stolz bin ich darauf jetzt nicht. Mehr Verantwortung bedeutet mehr Stress und irgendwann im Leben tritt vielleicht auch sowas wie Ehrgeiz zutage, eine weitere Eigenschaft, die ich über weite Strecken meines Lebens verachtete, weil zu viel Ehrgeiz ja auch Zombies aus den Leuten macht. Das Ding ist ja, ich weiß doch ganz genau, wie ich ein besserer Mensch sein könnte. Allein: ich möchte mich auf die langweilige Scheiße nicht einlassen, da bleib’ ich lieber echt. Und ich fang’ auch nicht wieder mit dem Saufen an, damit ich ruhiger werde. Wenn man sich den Wahnsinn mal von außen anguckt: sehr unangenehm, was man da jahrelang praktizierte. Ich muss mal gucken, wie ich diese Energie nun kompensiere, vielleicht mehr Sport. Und so langsam kommt ja dann bestimmt auch eine gewisse Altersmilde dazu, mal sehen.

Kommentare

6 Antworten zu “Cis Dur”

  1. Gilli Vanilli sagt:

    und er hat gelacht? und keine anzeige erstattet? dann hat der homie ja humor

  2. MC Winkel sagt:

    @Gilli Vanilli: Vielleicht war er ja trotz seiner massiven Nötigung gar nicht so der verklemmte Spießerdeutsche, der immer sofort an’s Anzeigen denkt, Herr Vanilli. :)

  3. rorc sailor graf sagt:

    Zum Glück ist Dir nichts passiert, MC Winkel. Ich vermute, der Typ hat sich nicht getraut, etwas zu unternehmen, weil Du’s halt richtig drauf hast und zudem auch echt noch fantastisch aussiehst.

  4. SirDregan sagt:

    Mc, zum Thema Wecker kann ich dir nur die Schlafphasenwecker von Axbo empfehlen. Seit ich das Ding hab steh ich morgens auf wie frisch aus der Dusche und schon läuft der ganze Tag viel entspannter. Hat mein Stresslevel deutlich reduziert. Zudem ist dann halt mal mehr Zeit für die wichtigen Dinge im Leben da, wie zum Beispiel ausgedehnt frühstücken oder die neuen Breaking Bad Folgen aufholen… ;)

  5. Perot sagt:

    Ach, MC, mir sind die Klaus Kinskis unserer Zeit immer noch lieber als die Leisetreter. Mal auf den Putz hauen holt auch schon mal den Staub von den Wänden. ;-) Wenn das natürlich zur Gewohnheit wird – ja, dann würde ich mir Gedanken machen. BTW: Ein Cis ist ein Cis ist ein Cis, egal, auf welcher Tonleiter. ;-)

  6. Oliver sagt:

    Du hättest mit der Aktion aber auch an den falschen geraten können … heute zu Tage werden Leute schon wegen weniger ins Koma getretten. Ein Basi in der Hand, ist schon sehr aggro. Es gibt welche, die haben eine Machete am Fahrersitz liegen …

    Ich heisse deinen Wandel willkommen. Wie ist dein Slogan immer: be nice to people?

    In diesem Sinne
    Oliver

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